Foto: Sofitel Munich Bayerpost
rund 100 m² u. a. Gemüse und Beeren wach-sen.
Gurken und Co. werden im Feinkostladen
verkauft und auf einem Extra-Tisch präsentiert.
Die Kunden sollen schließlich wissen, dass die
Tomaten aus dem eigenen Garten kommen
und nur wenige Meter über ihren Köpfen
wachsen. Auch im Bistro- und Restaurant-
Bereich kommen die Produkte zum Einsatz.
„Wirtschaftlich gesehen trägt sich der Garten
aber nicht. Es ist eher eine Liebhaberei. Die
Wissensvermittlung steht an erster
Stelle“, betont Patrick Hör-mann,
stellvertretender
Ladenleiter. Für die Pfle-ge
ist der Nachwuchs
aus allen Abteilun-gen
verantwortlich.
Auch im Restau-rant
„August und
Maria“ im Brauerei-gasthof
Hotel Aying
tauschen Azubis re-gelmäßig
Kochlöffel
gegen Schaufel. „Wer
sieht, wie lange es dau-ert,
bis Tomaten
ihre tiefrote
Farbe er-halten
oder mit wel-cher
Kraft sich Bohnen-ranken
durch die Erde bohren
müssen, entwickelt ein völlig neu-es
Verhältnis zu den Produkten“, ist
Küchenchef Mario Huggler überzeugt. Das
Konzept von Urban Gardening bezieht sich
zwar auf städtische Landwirtschaft, doch das
Prinzip einer autarken Bewirtschaftung spielt
auch für Hotels und Restaurants in ländlichen
Regionen eine Rolle. Im Bio-Hotel Pennhof in
Südtirol kommt das Gemüse frisch aus dem
Garten, Fleisch vom Familien-Bio-Bauernhof
und andere Produkte aus der direkten Umge-bung.
Denn Elmar Braun achtet auf den öko-logischen
Fußabdruck seiner Speisen. Bei der
Verarbeitung konventioneller und industria-lisierter
Produkte fühlte sich der junge
Hotelier und Koch immer unwoh-ler.
„Ich informierte mich über
die Anbauweise und Missstän-de
in den Herkunftsländern
– z. B. die Wasserknappheit
in Spanien aufgrund der
Tomatenplantagen – und
habe mich klar dagegen
entschieden.“
Essen, was man sät
Immer mehr Menschen möch-ten
in Zeiten von Industrialisie-rung
und Globalisierung wissen, wo-her
ihr Essen kommt. Auch im Bio-Hotel
Gut Sonnenhausen vor den Toren Münchens
wird gegessen, was gesät wird. Seit 2010 ern-tet
das Team um Inhaber Georg Schweisfurth
von Frühjahr bis Herbst einen Großteil an
Gemüse und Kräutern aus dem eigenen, Bio-zertifizierten
Küchengarten. Küchenchef Rein-hard
Angerer steht in engem Austausch mit
dem Garten-Team. „Die ersten Jahre hatten
wir entweder zu viel von einer Gemüsesorte
oder zu wenig für das hohe Geschäftsaufkom-men“,
erinnert sich Alexandra Baeken, Leitung
Verkauf & Marketing. Deshalb wird inzwischen
bereits im Winter bei der Aussaatsplanung ab-gestimmt,
was im laufenden Jahr angebaut
bzw. gekocht wird. Neben den leckeren Ge-richten
ist der Garten auch ein Image-Träger
bei der Kundenbindung. „Sowohl Tagungs-
als auch Hochzeitsgäste spazieren gerne durch
den Garten und das Feld, um sich anzusehen,
wo Salat, Gemüse und Co. wachsen“, berich-tet
Alexandra Baeten. Dabei können die Gäste
auch selbst Hand anlegen. „Wir wollen für den
Einzelnen den Bezug zur Natur und zur Land-wirtschaft
wiederherstellen“, ergänzt sie. Vor
allem Großstädter hätten heute oft keine Vor-stellung
mehr davon, wie Rote Bete aussieht,
die nicht fertig gekocht und geschält in Folie
verpackt ist.
Mini-Gärtner in Aktion
Essen wächst schließlich nicht im Supermarkt!
Das wissen viele Kinder nicht mehr. Schulgär-ten
sind eine ideale Plattform, um den Kleinen
spielerisch beizubringen, woher ihr Gemüse
kommt. Die Edeka oder die BayWa Stiftung
stellen Schulen und Kindertagesstätten die
nötigen Materialien wie Saatgut und Garten-utensilien
bereit. Die Mini-Gärtner pflanzen im
Unterricht selbst an, pflegen das Gemüse und
ernten am Ende Radieschen, Karotten und Co.
für Pausen- und Mittagssnacks. Am Descartes-
Gymnasium in Neuburg an der Donau wird
der Schulgarten sogar in verschiedenen Fä-chern
in den Unterricht integriert. So wird z. B.
Naturlyrik im Garten zum Leben erweckt und
im Kunstunterricht wird im „grünen Klassen-zimmer“
gezeichnet. Vor allem Stadtkindern
vermittelt die Arbeit im Garten auf spielerische
Weise den Kontakt zur Natur.
In Italien wird die Idee des Eigenanbaus auf
die Spitze getrieben. In Bologna eröffnet in
der zweiten Jahreshälfte 2017 eine Art Vergnü-gungspark
für grüne Gourmets: Auf einer Flä-che
von 80.000 m² werden italienische Köst-lichkeiten
wie Pasta, Parmesan oder Prosciutto
nicht nur gegessen, sondern auch hergestellt.
Den Konsumenten wird Basiswissen über die
Herstellung von Nahrungsmitteln vermittelt.
In Seminarräumen erfahren Schüler und Tou-risten
nicht nur, wie die Produkte hergestellt
werden, sondern sie können diese vor Ort in
25 Restaurants probieren und in 40 Shops so-wie
an Markständen kaufen. Das kulinarische
Disneyland soll jährlich bis zu sechs Mio. Besu-cher
anlocken. Derartige Dimensionen bleiben
hierzulande vorerst wohl noch eine Utopie.
Doch es wird fleißig experimentiert. ren
Andreas Donnerbauer (l.) u. Steve Uhlig in ihrem Küchengarten im Sofitel München Bayerpost
„Wer
sieht, wie
lange es dauert,
bis Tomaten ihre
tiefrote Farbe erhalten,
entwickelt ein völlig
neues Verhältnis zu
den Produkten.“
Mario Huggler
nachhaltigkeit
54 Vernetzte Branchen 2017