BETRIEBSGASTRONOMIE
Regionalität hat Grenzen
Ein wichtiges Kriterium der Lieferanten-auswahl
ist Regionalität. Für Horst Kafurke
ist das vorwiegend der Raum NRW, wo die
Zentrale der E.ON Gastronomie ansässig ist.
„Diese Lebensmittel möglichst nachhaltig
an die meisten der 54 betriebsgastronomi-schen
Standorte, die deutschlandweit ver-teilt
sind, zu bringen, war eine der größten
Herausforderungen“, berichtet er. Seine Lö-sung:
Der Grossist, von dem u. a. Trocken-produkte
bezogen werden, bekam den Zu-schlag
nur unter der Bedingung, dass er die
Logistik der regionalen Produkte, die nicht
aus seinem Portfolio sind, mit übernimmt.
Das betrifft etwa Obst, Gemüse und Salate
aus einem Umkreis von 60 Kilometern um
Essen, das von einem lokalen Ready-cut-
Unternehmen individuell vorverarbeitet
wird. Aber auch 85 Prozent der Fleisch-
und Wurstwaren, die benötigt werden. Sie
stammen vom Rinderzüchter und Metzger,
der u. a. die individuell für E.ON gezüch-teten
Molkeschweine verarbeitet und die
Produkte daraus standortgenau verpackt.
Das bedeutete auch neue Bestellabläufe für
die Köche. „Der Metzger arbeitet dienstags
und mittwochs nur unsere
Aufträge ab, folg-lich
müssen die Outlets länger im Voraus
planen, was sie brauchen“, veranschaulicht
Horst Kafurke. Eine weitere Herausforde-rung:
Braucht jemand Leberkäse, muss der
Metzger mindestens einen Kutter voll davon
machen. „Die Überhänge vertreiben wir
dann über eine Art interne Resterampe.“
Regionalität sieht Horst Kafurke als
wichtiges Mittel, aber nicht dogmatisch.
„Seien wir mal ehrlich: Deutschland ist kein
Agrarland. Erbsen gedeihen zum Beispiel in
Skandinavien am besten. Auch Geflügel ist
eine große Baustelle, da die regionale Ware
u. a. nicht den nachhaltigen Anspruch er-füllt.
To do’s haben wir zudem hinsichtlich
Molkereiprodukten und Backwaren.“ Sein
Fazit: „Man muss auch in Sachen Nachhal-tigkeit
Kompromisse schließen – aber es
möglichst transparent und vernünftig um-setzen.“
Siegel-Skeptiker
Viele nachhaltige Dinge tut der Geschäfts-führer,
ohne sie zu bewerben, zum Beispiel
MSC-Fisch oder Bio-Produkte kaufen. Von
den dafür nötigen Zertifizierungen hält er
nicht viel, ebensowenig vom EU-Bio-Siegel.
„Mir ist es wichtiger meine Produzenten
persönlich zu kennen und so überprüfen zu
können, wie sie was tun.“ In Sachen Bio er-gänzt
er zudem: „Dank unserer Checklisten
kaufen wir nachhaltiger ein, als es ein Bio-
Siegel garantieren könnte. Zudem hat Bio
für mich drei Hauptprobleme: die Verfüg-barkeit,
die Qualitäten und den Preis.“ Ein-zig
die Zertifizierung des TÜV-Rheinland
als „Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastro-nomie“
plus das Zusatzmodul Nachhaltig-keit
hält er für valide – wohl auch weil er die
Entwicklung von praktischer Seite
begleitet
hat. Mit rund 420 Fragen ist die Zertifizie-rung
nicht gerade überschaubar, aber: „Sie
ist auch ein gutes Instrument, seinen Be-trieb
zu strukturieren und validieren.“
Veganer Klimaschützer
Obwohl das Klima zu schützen, Bestandteil
des Nachhaltigkeitskonzepts der Gastrono-miebetriebe
ist, steht Horst Kafurke auch
SPÜRBARGRÜN
RINDER KOMMEN
AUS DEM RAUM NRW
NACHHALTIGE ERFOLGSFAKTOREN
Alle 54 Betriebsgastronomien sind zertifiziert als „Ausgezeichnete Gemeinschafts-gastronomie“
inkl. Nachhaltigkeitsmodul des TÜV Rheinland (als bisher einzige
Betriebsgastronomie)
mit 98 von 100 Punkten – Basis für ständige Selbstevaluierung
Checklisten für rund zwölf Warengruppen mit 40 bis 60 nachhaltigen Einzelkriterien
sind die Basis für die Lieferantenauswahl
Nachhaltige Ansätze der E.ON Gastronomie sind verteilt auf vier Säulen:
Ökologie: Einsatz grüner Energie, Nutzung E-Mobility, Mehrwegpfandsysteme, Waste
Management (Konzepte gegen LM-Verschwendung, Müllvermeidung), vorwiegend
regionale Produkte, Lieferanten mit erweiterten Tierwohlstandards, keine Palmfette,
keine bedrohten Tierarten, Reduktion der Reinigungsmittel wo möglich (Dampfdesinfektion)
Ökonomie – Sicherung der Zukunft und des langfristigen Unternehmenserfolges
durch: monetäre Einsparungen (weniger LM-Verschwendung, Ressourcenschonung,
keine kostenlose Abgabe von Einweg-to-go-Bechern), Sicherung von Wettbewerbs-vorteilen
und Kundenbindung durch das Vertrauen der Gäste; Schaffung von Akzep-tanz
hinsichtlich Mehrkosten und Nachhaltigkeit (Kundenkommunikation, Transparenz
für Stakeholder)
Soziale Verantwortung: Vermehrt FairTrade-Produkte (erster und einziger GV-Betrieb
mit FairTrade@work-Siegel), Spenden an soz. Einrichtungen, eigene Ausbil-dung,
Mitarbeiterschulungen, Verantwortung gegenüber eigenen Mitarbeitern und
denen von Lieferanten (keine Kinderarbeit, besondere Anforderungen an Erntehelfer)
Gesundheit: Vitales Speisenangebot (saisonal, möglichst keine Zusatzstoffe, Würzen
mit Kräutern), eigene Ernährungsampel (informiert u. a. über Energiedichte, Fettgehalt),
KPI „green offer“ (Speisepläne aller 54 Standorte müssen 50 % grüne Ampel-punkte
aufweisen und 50 % vegane Angebote), enge Zusammenarbeit mit dem BGM
(Aktionen z. B. zu gesundem Schlaf)
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