Fotos: Weber Maschinenbau
PRODUKTION
will“, bringt es Christoph Grabowski auf den
Punkt. „Was Zeit spart und uns gleichzeitig
die Arbeit erleichtert, ist extrem wertvoll. Wenn
wir maschinell entvliesen, haben wir am Teil-stück
auch noch weniger Verlust. Das bekommt
niemand per Hand so hin – auch nicht mit noch
so viel Geschick und Routine. Außer man bear-beitet
ein Stück stundenlang. Aber die Zeit hat
ja niemand“, ergänzt Katharina Koch.
MEHR WERTSCHÖPFUNG
Christoph Grabowski, international gefragter
Experte in der Fleischbranche und leiden-schaftlicher
Fürsprecher des Metzgerhand-werks,
sieht bei der Veredelung von Stücken,
die vorher in der Wurstproduktion verarbeitet
wurden, einen weiteren Effekt. Mit der maschi-nellen
Unterstützung eröffnen sich neue Mög-lichkeiten
für Produkte – gerade im Grillsor-timent.
„Ein Schwein besteht nicht nur aus
Schnitzel, Schinken, Filet oder Kotelett“, betont
er. Seine Leidenschaft für Fleisch und seine Ex-pertise
hat er in mehreren Büchern zu neuen
Cuts von Rind und Schwein dokumentiert.
Mit dem Einsatz eines Entvliesers von Weber
Maschinenbau verarbeitet der vor mehr als 140
Jahren in Calden gegründete Familienbetrieb
Koch heute etwa das weitgehend unbekann-te
Kachelfleisch eines Schweins zu zarten wie
schmackhaften Grillsteaks. Zur anatomischen
Orientierung: Kachelfleisch gehört als Teil-stück
zum Hinterschinken und befindet sich
oberhalb des Hüftknochens. „Das kam vor den
heutigen Möglichkeiten der Veredelung ei-gentlich
immer in die Wurst“, berichtet Katha-
rina Koch. Aktuell besonders gefragt sind des-halb
technische Lösungen für neue Produkte,
mit denen das Fleischerhandwerk neue Fans
gewinnen kann. „Wir brauchen Maschinen, die
auf handwerkliche Belange zugeschnitten sind.
Es gilt dabei nicht in langen Produktionsstra-ßen
zu denken, sondern Lösungen für kleine
Chargen und Individualität zu bieten“, fordert
die Fleischermeisterin. Denn: Individualität und
Regionalität sind nicht zuletzt probate Mög-lichkeiten
zur Differenzierung.
PARTNERSCHAFT AUF AUGENHÖHE
Für Katharina Koch zeigt die aktuelle Entwick-lung
aber leider, dass sich viele Hersteller von
Systemen für die Fleisch- und
Lebensmittelverarbeitung im-mer
weiter vom Handwerk ent-fernen.
„Wir werden nicht mehr
gut versorgt. Unsere Vermu-tung
ist, dass wir als Zielgruppe
für den Maschinenbau uninte-ressant
geworden sind“, sind
sich die beiden einig. Dabei
brauche man mehr denn je auf
den individuellen Bedarf abge-stimmte
maschinelle Lösungen
– nicht nur für das Veredeln
von Fleischteilstücken mithilfe
von Entvliesern, sondern auch
für andere Prozessschritte. Die
Maschinenhersteller haben es also in der Hand,
das Handwerk zu unterstützen.
Dank ihrer über 40-jährigen Erfahrung wis-sen
die Skinner-Experten von Weber, dass
das Handwerk auf gute Maschinen setzt.
Gerade angesichts der gezeigten Vielfalt ist es
für Weber ein interessanter Kundenstamm. Es
lohnt sich, in den fachlichen Austausch zu gehen
und Maschinenentwicklungen partnerschaft-
lich voranzutreiben – damals wie heute. „Wir
gehören dabei ganz klar mit zu den Produkt-entwicklern
neuer Maschinen“, unterstreicht
Christoph Grabowski. „Die Beteiligten haben
am meisten davon, wenn offen und eng zu-sammengearbeitet
wird. Wenn eine echte Part-nerschaft
entsteht, von der alle profitieren“,
ergänzt er. Doch mit der Lieferung technischer
Lösungen allein ist es nicht getan. Mindestens
ebenso wichtig ist schnelle und persönliche
Hilfe auf Augenhöhe, wenn eine Maschine
ausfällt. „Wenn du im Service anrufst und die
erste Ansage auf Englisch kommt, kriegt man-cher
schon die Krise“, so Katharina Koch.
„ERLEBNIS FLEISCH“
Neue Cuts, Regionalität, Nachhaltigkeit und
höhere Wirtschaftlichkeit durch clevere Tech-nik
sind also Stellschrauben, an denen Flei-scher
heute drehen können, um zukunftsfähig
zu sein. „Über klassische Produkte gelingt Dif-ferenzierung
kaum noch; die sind in der Regel
sehr vergleichbar. Stattdessen muss der Metz-ger
zur Marke werden“, unterstreicht Kathari-na
Koch. „Marketing für sich und die eigenen
Produkte ist ein nicht zu unterschätzender Er-folgsfaktor.
Das ist für viele Handwerksbetriebe
aber noch sehr weit weg.“ Gerade im Wett-bewerb
mit dem Fleisch- und Wurstangebot
scheinbar übermächtiger Supermärkte und
Discounter könne dies zum entscheidenden be-trieblichen
Überlebensfaktor werden.
Ein Blick in die Branche zeigt: Lokale Hand-werksbetriebe
verschwinden. „Ich komme aus
Castrop-Rauxel. Da gab es früher an jeder Kreu-zung
eine produzierende Fleischerei – heute
ist da keine mehr, und das bei rund 76.000 Ein-wohnern“,
sagt Christoph Grabowski. Das, was
er in seiner Heimatstadt erlebte, spiegelt sich
bundesweit wider. Laut der Online-Plattform
Statista sank die Zahl der Handwerksbetriebe
von rund 19.000 in 2002 linear auf gut 11.000
in 2020.
Insgesamt müssen der Beruf des Metzgers
und das Fleischerhandwerk wieder mehr Wert-schätzung
erfahren, um für Nachwuchsfach-kräfte
attraktiv zu sein. Für Christoph Grabow-ski
braucht dieser Prozess ganz wesentlich den
Betrieb selbst. Er habe seine Wurstküche ver-lassen,
um an verkaufsstarken Tagen wie Frei-tag
und Samstag im Verkauf zu stehen. „War-um
zerlegen wir nicht an der Theke und neh-men
die Kunden direkt mit ins Handwerk? So
können wir zeigen, dass es sich um Teilstücke
eines Tieres handelt und nicht um ein anony-mes
Stück Fleisch aus dem Vakuum.“ So werde
Expertise sicht- und erlebbar gemacht. Das wer-tet
nicht nur das Produkt Fleisch, sondern auch
die Handwerksberufe auf. „Wir müssen dazu
übergehen, das Handwerk anders zu bewerten.
Der Fleischer von morgen wird Kulturgut und
Fleisch muss zum Konsumerlebnis werden. Das
schafft Zukunft“, ist er überzeugt.
www.landfleischerei-koch.de
www.niggemann-food-frische-markt.
de; www.weberweb.com
André Michel, Head of Skinner,
Weber Maschinenbau
Erfolgreiche Metzger gehen kreativ mit ihren
regionalen Wurzeln um. Die Ahle Wurscht der
Landfleischerei Koch ist 2022 sogar offizielle
documenta-Verköstigung.
52 3/2022
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