Südlich von Wetzlar haben noch viele
kleinere Orte einen Handwerksmetzger.
Doch einen Betrieb mit Landgasthof, in
dem der Inhaber in der Wurstküche und am
Herd in der Küche steht, gibt es in der Regel
nicht mehr so oft. 2013 feierte die Familie Zim-mermann
das 60. Bestehen ihres Betriebes. Ge-gründet
haben ihn die Großeltern Heinz und
Elli, aus- und mehrfach umgebaut und weiter-ent-
wickelt die Eltern Erhard und Regina. Nach
seiner Fleischerlehre in der Metzgerei Manz in
Hüttenberg und der Kochlehre im Hotel „Zur
Krone“ in Löhnberg kehrte Jan Zimmermann
zurück in den Betrieb. Der Meister folgte 2013
an der Fleischerschule Augsburg, seit 1. Januar
2016 ist er Inhaber des Betriebes.
Anfang 2017 bildete er sich in Augsburg zum
Fleisch-Sommelier weiter. „Das war auch das
Jahr, in dem ich mich entschied, einen neuen
Schritt in die Zukunft zu wagen. Zum einen
was die Fleischqualität betrifft und zum an-deren
fanden auf der SÜFFA erste Gespräche
mit potenziellen Ladenbauern statt“, berichtet
er. Im Fleisch-Sommelier-Kurs vertiefte er sein
Wissen und tauchte in Hintergründe der Erzeu-gung
und Fleischqualität ein. Das führte trotz
anfänglicher Versuche mit regionalen Erzeu-gern
dazu, dass er seit November 2017 Fleisch
vom Schwäbisch-hällischen Landschwein und
vom Boeuf de Hohenlohe verarbeitet. In der
Region sei es schwierig gewesen die nötigen
Mengen zu bekommen. Jeden Dienstag erhält
die Metzgerei halbe Tiere. „Ich bin kein Fan von
Teilstücken, da ich ja auch Knochen für Brühen
und Fonds in der Küche brauche“, betont der
33-Jährige. „Zudem führt dieses Fleisch zu
einem besseren Grundgeschmack der Wurst
und schrumpft nicht in der Pfanne. Man unter-stützt
alte Tierrassen. Das schätzen auch viele
Kunden bzw. Gäste“, berichtet er.
REIFERAUM & HACKKLOTZ
So lag es nahe, dass auch mit dem Laden et-was
passieren sollte. Vor einem guten Jahr
wurde es konkreter. „Letztlich überzeugte
Fotos: Aichinger
Fleisch im Fokus
Fleischfans haben seit November 2018 eine neue Pilgerstätte: die umgebaute Metzgerei
im Landgasthof „Zur Bernstadt“ in Schöffengrund-Niederquembach Lahn-Dill-Kreis.
Fleisch-Sommelier Jan Zimmermann (33) hauchte dem Familienbetrieb neues Leben ein.
mich der erste Entwurf von Aichinger und
dieser wurde auch umgesetzt. Ich hatte von
Anfang an ein gutes Gefühl, man ist auf meine
Wünsche eingegangen. Hier hat man gemerkt,
dass nicht nur das eigene Ding verkauft wer-den
sollte. Mein Wunsch war es etwas Einzig-artiges
in der Region zu schaffen“, erklärt Jan
Zimmermann. Beim kompletten Um- und Neu-bau
sowie bis heute ist Christian Milk, Außen-dienst-
Mitarbeiter von Aichinger, ein verläss-
licher Partner. So lieferte das Unternehmen auch
die Ersatztheke für die Zeit des mehrwöchigen
Umbaus, wo der Verkauf in eínem Nebenraum
des Gasthofes stattfand. Die Eröffnung fand
am 11. November 2018 statt.
Nicht nur die rund 40 % größere Ladenfläche
als zuvor, die drei großen Fenster, kürzere Wege,
fußschonende Böden und das einfachere Be-stücken
der 6,40 m langen Sirius3-Theke be-geistern
Jan Zimmermann, die Mitarbeiter, Kun-den
und Gäste – es ist der 4,5 m lange und 2 m
breite begehbare Reiferaum, der von drei Seiten
einsehbar ist und an dem jeder vorbeikommt.
Bis zu 1 t Dry-age-Rindfleisch reift hier hän-gend
und liegend in acht Stufen bei 2,5°C und
74,5 % Luftfeuchtigkeit. „Porterhouse- und
T-Bones ab 3 cm Dicke aufwärts sowie Toma-hawks
veredeln wir hier. Wir sind zufrieden,
denn ich habe nicht mit einer so großen Nach-frage
gerechnet“, sagt er bescheiden. Ein wei-teres
Highlight ist ein hölzerner Hackklotz zur
hinten angrenzenden Küche hin. „Vorher hatten
wir 2 m Theke. Jetzt ist alles offener gestaltet.
Die Kunden bewegen sich im Raum, die Kom-munikation
generell ist mehr geworden und
die Mitarbeiterinnen sind besser gelaunt“, be-tont
er. Verkäuferin Anni nickt zustimmend.
Durch den Hackklotz hat der Fleisch-Somme-lier
die Möglichkeit, Fleisch vor den Augen der
Kunden zu zerlegen, z. B. im Rahmen der Events
„Sommelier trifft Sommelier“ mit Pendants in
Sachen Bier oder Wein. Einige fanden statt, wei-tere
folgen. So kann Jan Zimmermann seinen
Namen als Marke weiter etablieren. Behilflich
ist ihm dabei seine Freundin Vivien, die die
KONZEPT
LANDGASTHOF & METZGEREI „ZUR
BERNSTADT“ – NIEDERQUEMBACH
In dritter Generation geführte Familien-metzgerei
und Landgasthof. Fleisch-
Sommelier Jan Zimmermann schuf eine
Erlebnismetzgerei, steht selbst am Herd
des und vermittelt Fleisch-Know-how aus
erster Hand.
ERFOLGSFAKTOREN
Live-Zerlegung 1x/Woche samstags,
z. B. Rind oder Schwein
Erlebbare Transparenz; Handwerk zeigen
Aktive Kunden-Kommunikation bezüglich
Herkunft der Rohware
Zwei abgeschlossene Ausbildungsberufe
(Fleischer & Koch)
Erlebnis-Metzgerei mit Reiferaum
für Dry-age-Spezialitäten
Marke „Fleischsommelier
Jan Zimmermann“
PROFI-PARTNER
Aufschnittmaschinen: Bizerba
Fleisch (Schwein/Rind): Bäuerliche
Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall
Gewürze: Raps, Lay Gewürze, Hagesüd
Kassensystem: Bizerba
Kombidämpfer: Rational
Ladenbau: Aichinger
Präsentationshilfen Theke: thekenplan
Spültechnik: Hobart
Zusatzgeschäft-Artikel: Moguntia,
Geschmacksnavigator
Social-Media-Kanäle pflegt. „Ich komme noch
eher aus der Generation Bolzplatz“, schmunzelt
er. Seine Model-Erfahrungen aus dem Fleisch-
Sommelier-Kurs aber brachten ihn auf das Mai-
Blatt des Kalenders 2019 von Fleischerhand-werk
– wir sind anders e.V., von dem einige Ex-emplare
auf der Theke am Eingang liegen. Auch
hier kommen alle Kunden vorbei... mth
www.zurbernstadt.de
NIEDERQUEMBACH
FLEISCHER MIT ERFOLG
2/2019 33