Foto: Wagner
fügte über einen anerkannten Ausbildungs-abschluss
und die nötigen drei Praxisjahre
in der Metzgerei. Gleich an die drei Monate
Meisterschule hängte sie die Fortbildung zur
Fleischsommelière an.
USP GESCHAFFEN
Das Alleinstellungsmerkmal des Betriebs ist
Extravaganz, etwa Röllchen von der Wildlende,
gefüllt mit geräuchertem Wildschinken und
Ziegenkäse. Oder über 50 Wurstsorten wie
Rehsalami mit Mirabellenbrand und schwar-zen
Trüffeln. „Das Sortiment muss besonders
sein. Wir decken nicht das komplette Pro-gramm
ab, das Metzger normal haben. Sobald
wir vom Namen her vergleichbar sind, sagen
die Leute, warum sind ihre Fleischwürste so
teuer?“, erklärt die Unternehmerin.
Neben klassischer Wildbratwurst gibt es etwa
Bratwurst Caprese mit Mozzarella, Basilikum
und Tomaten. Die Wild Canadian Cheese Smo-keys
aus Rothirsch und Wildschwein glänzen
mit sechs Monate gereiftem Cheddar. „Viele
beim Preis vergessen, dass Wild zu den hoch-wertigsten
Fleischsorten gehört“, erklärt die
passionierte Jägerin und Falknerin. Die Tiere
empfinden keinen Stress bei der Tötung, wenn
sie ohne Vorahnung erlegt werden, was das
Fleisch extrem zart macht.
Von Anfang an legten die Niedings Wert auf
hohe Qualität. Von 2012 bis 2018 bekamen
ihre Produkte 124 Goldmedaillen, neun Sieger-pokale
sowie 2016 die Ehrung Gesamtsieger
Deutsche Wildwurstmeisterschaft. „Als Sei-teneinsteiger
brauchten wir eine Benchmark“,
erklärt Klaus Nieding,. „Ich versuche weiterhin
am Wochenende zu jagen, wenn keine Veran-staltungen
sind, zu denen wir mit dem Forst-food-
Mobil touren“, sagt die Selfmade-Frau. Sinn
der Streetfood-Aktionen war es, die Leute mit
Burgern und Bratwurst ans Wild heranzuführen.
WILD IST WERTVOLL
„40 bis 50 % bleiben beim Wildschwein übrig,
wenn ich es abgezogen habe“, erklärt sie, „je
nachdem wo der Schuss sitzt, ob er ein Schul-terblatt
kaputt gemacht hat oder beide, oder
ob er quer durch ist“. In der Zeit, in der Wild ge-schossen
werden darf, verarbeitet sie im Schnitt
800 bis 1.000 Tiere. Die Schonzeit – Ende Januar
bis Anfang Mai – überbrückt sie mit Dosen-ware
und Verarbeitungsfleisch, das bei Reh
und Wildschwein übrig bleibt. „Was wir übers
Jahr nicht brauchen, frieren wir ein. Wir müssen
schauen, dass für Ostern noch Rehkeulen da
sind, denn dann ist Schonzeit“, sagt sie.
Seit 2015 ergänzen Weiderinder und Freilauf-schweine
regionaler Züchter, die 10 bis 20 Tiere
halten und extensiv wirtschaften, den Rohstoff-bezug.
Die Black Angus- und Limousin-Rinder
stehen in 13 bis 19 km entfernten Bioland-
höfen in Weide- und Mutterkuhhaltung. Dry
age-Fleisch – erhältlich in allen Cuts – reift
60 bis 75 Tage. Einer von zwei Fleischermeis-tern
bringt von einem dreijährigen Aufenthalt
in den USA und Kanada viele Kenntnisse mit.
Ende März eröffnete „Die Wildkammer im
Jagdhaus“ direkt neben dem Meisenheimer
Hof. Chefkoch Markus Pape ist nicht nur
Kunde. Gemeinsam organisieren sie Wildwork-shops.
Die Hotelgäste kaufen gerne Wild- und
Feinkostsouvenirs. Neben den Standbeinen
Eventgeschäft und Catering werden auch
Wildfertiggerichte wie Gulasch, Ragout, Braten,
Sauerbraten in Scheiben mit Soße eingekocht
oder Frikadellen – pro Woche 1.200 Dosen mit
300, 400 oder 800 g. Die Stücke werden erst
gebraten und dann geschnitten.
Mit der überregional bekannten Feinkost
Metzgerei Stephan kamen am 6. August 2019
26 Mitarbeiter aus dem Laden und der Pro-duktion
dazu. Verarbeitet wird dort Bio-Fleisch
aus artgerechter Tierhaltung, ausschließlich
Schwäbisch-Hällisches Landschwein und Bio-
Boeuf de Hohenlohe Weiderinder. „Die Phi-losophie
der Häuser passt ausgesprochen
gut zusammen“, erklärt Petra Nieding. Sie
hat nicht nur den Namen und die Mitarbei-ter,
sondern auch die bewährten Rezepturen
übernommen. Gebhard Stephan gab aus Ge-sundheitsgründen
auf und freut sich, eine
Gleichgesinnte gefunden zu haben. Er führte
die 1893 gegründete Metzgerei über 30 Jahre
lang in vierter Generation. Bis Ende April fand
er keinen Nachfolger, nachdem er lange – so-gar
in Baden-Württemberg und Bayern – nach
Interessenten gesucht hatte. Einen Tag nach
der Rundmail zur Geschäftsaufgabe am 31. Juli
war Petra Nieding dank eines gemeinsamen
Lieferanten informiert, besichtigte den Betrieb
und sagte zu – ein Glücksfall! V. Wagner
www.wildkammer.de
KONZEPT
DIE WILDKAMMER –
BAD SOBERNHEIM
Eine der erfolgreichsten Wildmetzgereien
Deutschlands mit drei Filialen, Catering
und Eventgeschäft sowie Foodtruck. Wild
aus eigenen sowie umliegenden Revieren.
PROFI-PARTNER
Berufskleidung: Engelbert Strauss
Füller: Handtmann
Kassensystem: Bizerba
Kochkessel: Korimat
Kühltechnik: Viessmann
Ladenbau: Aichinger
Räuchertechnik: Bastra
Schneidetechnik/
Messer: Friedr. Dick
Wägetechnik: Bizerba
5/2019 27
BAD SOBERNHEIM
FLEISCHER MIT ERFOLG