Foto: P. Pipek
HILFSSTOFFE & GEWÜRZE
In der ersten Reaktion erzeugtes Metmyoglo-bin
wird entweder chemisch (Elektronendo-nor
SH-Proteingruppen) oder biochemisch
(durch Enzyme) reduziert. Während des Er-hitzungsprozesses
werden die Proteine ver-ändert,
wobei die Thiolgruppen verfügbar
werden. Diese reduzieren das Metmyoglobin
zu Myoglobin, das dann zur Bildung eines
anderen Nitroxymyoglobinmoleküls verwen-det
werden kann. Während des Erhitzens auf
die Denaturierungstemperatur wird daher die
rosa-braun-braune Färbung von Fleischpro-dukten
beobachtet. Vervollständigt wird die
Farbstoffstabilisierung durch die thermische
oder saure Denaturierung der Hämfarbstoffe.
Das Peptidkettenglobin wird abgerissen und
der rosa Farbstoff Nitroxyhemochrom bleibt
inhärent. Frühere Technologien verwende-ten
den Zusatz von Nitraten, insbesondere
Kaliumnitrat (Salpeter, Sanitr, Salnytr, E 252).
Diese mussten aber zuvor durch die Einwir-kung
von mikrobiellen Enzymen auf Nitrit re-duziert
werden. Damit die mikrobielle Reduk-tion
von Nitrat zu Nitrit abläuft, wurde früher
das mit Nitrat gesalzene Fleisch eine gewisse
Zeit gelagert. Das direkte Verwenden von
Nitrit führte aber wesentlich schneller zum Ziel;
so wurde der Begriff „schnelllebig“ geschaffen.
Anfangs war das Dosieren schwierig. Das di-rekte
Verwenden von Nitrit kann aufgrund zu
hoher Dosierung zu Vergiftungen führen. Um
das zu verhindern, wurde eine Kochsalzlösung
mit Natriumchlorid eingesetzt. So war eine
Überdosierung von Natriumchlorid (insbeson-
dere aufgrund des salzigen Geschmacks)
leichter auszuschließen. Hier ist an das be-
kannte Prager Salz mit der Bezeichnung
Praganda zu erinnern (s. Bild unten).
VERGIFTUNG ERST BEI ÜBERDOSIS
Seit fast 90 Jahren wird überall ungefähr
dieselbe Gemischzusammensetzung verwen-det,
im deutschen Nitritpökelsalz (NPS) 0,4 bis
0,5 % oder im „Special“ etwas mehr (0,8 bis
0,9 %). So kommen beim konventionellen Ein-salzen
(ca. 2 %-ige Salzmischung) etwa 100 mg/
kg ins Produkt. Der größte Teil dieser Dosis rea-giert
und hinterlässt Einheiten von 10 mg/kg.
Für eine Vergiftung wäre eine tausendfach
höhere Menge nötig. Kontroverse Behauptun-gen
über die Toxizität oder die Möglichkeit der
Krebsentstehung durch Fleischprodukte führ-ten
seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts
zu einer Reihe von Ersatzstoffen für Nitrite und
zu Bemühungen, sie völlig als Zutat auszu-schließen.
Letzteres ist bisher gescheitert.
Eine eindeutig gleichwertige Substitution von
Nitrit ist wohl nicht möglich. Ohne Nitrit wer-den
Hämfarbstoffe durch Oxidation braun. Bei
gekochten Produkten (Leberwürste, Presskopf,
usw.), bei denen die graubraune Farbe so-gar
traditionell ist, spielt das aber keine Rolle.
Auch ein Zusatz von Fremdfarbstoff hilft nicht,
wie einige irrtümlicherweise glauben. Obwohl
die Zugabe von rotem Farbstoff die Intensität
der roten Farbe erhöht, werden die Hämfarb-
stoffe im Fleischprodukt ohne Nitrit während
des Erhitzens nicht vor Oxidation geschützt.
Sie werden braun und die resultierende Farbe
ist unvermeidlich nur braunrot.
PFLANZLICHE EXTRAKTE
Sellerie, Spinat, Mangold oder andere pflanz-liche
Extrakte enthalten von Natur aus unter-schiedliche
Konzentrationen an Kaliumnitrat
(tatsächlich E 252). Das ist jedoch kein gesün-derer
Ersatz, denn es wird mit Hilfe der Star-terkulturen
in Nitrit (E 250) umgewandelt. Der
Unterschied zur direkten Zugabe von Nitrit ins
Salzgemisch besteht darin, dass die Konzen-
tration von Nitrit und Nitrat im Produkt vari-abel
sein kann und die Farbe bei einer Fehl-funktion
der Mikroflora möglicherweise nicht
gewährleistet ist. Leider gibt es keinen ge-setzlich
vorgeschriebenen Grenzwert für den
Restnitritgehalt und es besteht auch nicht die
Verpflichtung, diesen in der Zusammenset-zung
des Produkts anzugeben. Das Verwen-den
pflanzlicher Extrakte anstelle von NPS ist
daher eher eine von Produzenten genutzte,
unethische Möglichkeit, das von manchen Ver-brauchern
kritisch gesehene E 250 nicht auf
der Zusatzstoffliste angeben zu müssen.
NITRIT KONSERVIERT
Nitrit ist in zugelassenen Konzentrationen und
unter Verwendung zertifizierter Salzmischun-gen
gesundheitlich unbedenklich und nicht
nur ein Farbstabilisator, sondern auch Kon-servierungsmittel.
Es trägt zur Unterdrückung
der Keimung der Clostridiensporen bei und
verhindert so die Produktion tödlichem Botu-linumtoxins,
dem sog. Wurstgift. Aber wie soll
man Nitrit dann kennzeichnen – als Farbstabi-lisator
oder Konservierungsmittel? Wir über-lassen
dieses Problem dem Gesetzgeber. Der
Verbraucher ist sowohl über die Gründe als
auch die Auswirkungen für die Verwendung
von Nitrit zu informieren. Es ist immer richtig,
ein sogenanntes Konservierungsmitteletikett
(E 250) zu verwenden, auch wenn der Zusatz-stoff
hauptsächlich aufgrund der Farbgebung
genutzt wird.
Prof. Petr Pipek, Dr. Heinz Schleusener
2 -
Zunächst wird Nitrit in saurem Medium zu Stickstoffoxid reduziert:
H++ NO- + e- NO + OH
Diese Reduktion kann auch bei Myoglobin alleine auftreten:
H+ + Mb + NO2
- NO + MetMb+OH-
Das gebildete Stickoxid reagiert dann mit einem anderen Myoglobinmolekül
unter Bildung von Nitroxymyoglobin:
Mb + NO MbNO
Das Prager Salz (Praganda) wurde
in den 1930er-Jahren vom Metzger
Ladislav Nachmüllner patentiert.
14 5/2019