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GENIAL EINFACH SEIN
INTERVIEW
Stefan Marquard rockt nicht nur die eigene Küche, sondern unterstützt mit seiner Akademie auch Kollegen.
Warum ein Bauchlappen für ihn eine eierlegende Wollmilchsau ist, hat er uns verraten.
Stefan, welches ist für dich als gelernter
Metzger das Stück Fleisch, das am meis-ten
unterschätzt wird?
Man darf in diesem Fall nicht die Geniali-tät
der Einfachheit
vergessen: Es gibt jede
Menge günstige und unterschätzte Teile an
jedem Tier, z. B. den Bauchlappen vom Rind.
Das ist das beste Fleisch für Burger, man
kann das Flank noch herausschneiden und
aus dem Knorpel eine Suppe ansetzen. Im
Endeffekt habe ich damit die eierlegende
Wollmilchsau, die „kein“ Geld kostet. Auch
Waden, Hälse oder der Kopf zählen zu unter-schätzten
Stücken. Viele, die nur Teilstücke
verwenden, kommen nicht auf einen grünen
Zweig. Nutzt man das Tier aber ganzheitlich
und schneidet aus einem Hähnchen fünf
Hauptspeisen-Portionen und verwendet
die Karkasse noch für rund 15 Essenzen
– kann ich einen guten Gewinn erzie-len.
Das ist eine Frage des Hand-werks,
zu dem wir wieder zurück
müssen.
Was kann dir einen
Restaurantbesuch
vermiesen?
Erst kürzlich war ich mit
einer Gruppe von sechs
Personen in einem Res-taurant
in Stockholm und
wir saßen bestimmt eine
Stunde vor unseren leer
gegessenen Tellern. Als der
Kellner kam, räumte er alles
weg, was noch brauchbar war –
vom Salzstreuer über die Pfeffer-
mühle bis hin zu Essig und Öl.
Dann passierte lange nichts, ehe die
Teller doch noch abgeräumt wurden.
So etwas kann einen schönen Abend
zunichte machen. Dafür gibt es eine Aus-bildung.
Vinaigrette vor, die im Tiefkühlfach auf ihren
Einsatz warten.
Auf welche Aufgabe kannst du beim
Kochen verzichten?
Ich liebe Schwarzwurzeln, aber ohne Hand-schuhe
macht das Schälen keinen Spaß. Was
ich auch noch fürchterlich finde: Wenn man
viele gekochte Eier benötigt – vor allem, wenn
sie wachsweich sein sollen – und diese schä-len
muss. Dafür sollte man Leute haben (lacht).
Gibt es etwas, was du nicht magst?
Ich hasse rohe Tomaten. Auch bei Sardellen,
Austern und Forellenkaviar muss ich mich
überwinden, diese zu probieren.
Welches ist für dich die Entdeckung der
letzten Jahre im Lebensmittelbereich?
Air Bags, getrocknete Schweineschwarte, die
man aufpoppen lassen und zum Schweine-braten
servieren kann, finde ich klasse. Groß-artig
sind auch die verschiedenen pflanz-lichen
Bindemittel, die es gibt. Denn:
Wir müssen weg von tierischer Gela-tine.
Gibst du im Restaurant ein ehr-
liches Feedback, wenn es dir
mal nicht geschmeckt hat?
Ich gebe grundsätzlich immer
Feedback, das aber unterschied-lich
ausfallen kann: Von der Soft-
Version, einem einfachen Danke,
wenn es mir nicht geschmeckt hat,
über Lob in verschiedenen Stufen bis
hin zur Euphorie. Es bringt niemandem
etwas, nur zu sagen, dass alles OK war
– vor allem, wenn dem nicht so war. Von
Kollegen ist gut gemeinter Rat immer sinn-voll.
www.stefanmarquard.de
Danke für das Gespräch! sar
Welche Lebensmittel hast du privat immer
im Kühl- oder Vorratsschrank?
Immer da sind frische Kräuter, Butter, ein ver-nünftiges
Olivenöl, eine gute Flasche Cham-pagner
und die besten Gewürze, die man
sich vorstellen kann. Alles andere wird frisch
eingekauft. Für meine Liebsten produziere
ich zudem einmal im Monat Grundprodukte
wie Bolognese, Fonds, gezupftes Fleisch oder
Foto: Rockchef
5/2019 25