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Produkte mit Ursprung und natürlichen Zutaten
stehen in der Gunst der Konsumenten ganz oben.
Davon profitiert auch handwerklich hergestellte
Wurst, berichten Fleischer und Metzger – und
nutzen die aktuellen Herausforderungen für
innovative Inszenierungen.
Bei Deutschlands bekanntestem Boulevardblatt stand der
August 2020 im Zeichen der Wurst: „Schnell bewerben!
Bild kürt die beste Bratwurst“ hieß es am 13. August, und
bereits am 21. August wurden die Sieger der „Mega-Aktion für
Leser und Profi-Metzger“ in Berlin gekürt. Sabrina und Stephan
Hoffmann von Hoffmanns Hofladen aus Wanfried in Nordhes-sen
überzeugten die Jury um Bild-Autor Michael Quandt – und
bekamen auch gleich Besuch. Schritt für Schritt begleiteten die
Fotografen des Boulevardblatts die Herstellung der Sieger-Wurst
im hessischen Familienbetrieb, angefangen vom Besuch im Stall
über das Abfüllen in Schweinenaturdärme bis auf den Familien-grill.
„Wir stellen heute fast 1.000 Würste her, jede wird von Hand
abgedreht“, berichtet Sabrina Hoffmann an diesem Tag. Und es
hat sich gelohnt: „Die Resonanz ist der Wahnsinn. Unsere Brat-
würste waren direkt ausverkauft, jetzt müssen wir nachproduzieren“,
zitierte das Blatt am 24. August 2020 die glückliche Siegerin.
Ist der Zeitpunkt für diese Aktion ein Zufall? Vermutlich nicht
– hat das Blatt doch oft ein sehr feines Gespür für Themen, die
die Menschen zwischen Flensburg und Garmisch bewegen.
„Unsere Kunden aus dem Handwerk berichten von einer hohen
Nachfrage nach guter Wurst, am besten mit Lokalkolorit und
natürlichen Zutaten“, berichtet auch Heike Molkenthin vom Na-turdarm-
Verband. „Stay at home“ in Corona-Zeiten beflügelte die
private Nachfrage nach Wurst enorm, viele Metzgereien verzeich-neten
hier im 1. Halbjahr 2020 Rekordumsätze, mit denen sich
zumindest ein Teil der Verluste im Catering kompensieren ließen.
Doch warum ist gerade Wurst so beliebt? „Wurst ist seit jeher
fest in unserer kulinarischen Kultur verwurzelt“, weiß Heike
Molkenthin. Nicht umsonst heißt die Imagekampagne ihres
Verbandes für Nürnberger, Thüringer & Co „Rettet das Wurst-
Kulturerbe“. Auch Trendforscher sind von dem Phänomen nicht
überrascht: „Auf den Megatrend der Globalisierung und Digitali-sierung
folgt eine Besinnung auf regionale Qualitäten“, sagt der
renommierte Futurologe Max Thinius. Eine Steilvorlage also für
das Wurstparadies Deutschland und das Fleischerhandwerk mit
seiner enormen Vielfalt lokaler und regionaler Spezialitäten.
OB LOKAL ODER DIGITAL
Und die wird mit viel Kreativität genutzt. Ein Beispiel: Den tra-ditionellen
Fränkischen Bratwurstgipfel musste der „Verein zur
Förderung der fränkischen Bratwurstkultur“ coronabedingt ab-sagen.
Auf ihre Kosten kamen Wurstfans aber trotzdem, und die
Alternative war dann viel mehr als eine Notlösung: Am 25. Juli
2020 feierten Bratwurstliebhaber zwischen Hof, Würzburg und
Nürnberg erstmals den „Tag der fränkischen Bratwurst“ als de-
WURST
IM AUFWIND
32 5/2020