Fotos: Fleischerverband Bayern, Colourbox.de
Frau Fries, wie schätzen Sie die Kontrollen
der zuständigen Behörden nach den Listerien-
Funden 2019 ein?
Listerien hat es immer schon gegeben, wa-ren
aber noch nie so stark im Fokus wie 2019.
Neben Presseartikeln hängt das wohl auch
damit zusammen, dass die Analysemethoden
besser werden. So kann man heute auch noch
nach Wochen oder Jahren herausfinden, aus
welchem Betrieb Listerien, die zu einer Erkran-kung
geführt haben, stammen. Damit stehen
nicht nur die Betriebe mehr unter Druck, son-dern
auch die Kontrolleure. Es überrascht also
nicht, dass nun verstärkt auf Listerien bzw. die
Möglichkeit einer Rekontamination geachtet
wird. Generell werden die Kontrollen in Bayern
verhältnismäßig und sachlich durchgeführt.
So wurden in anderen Bundesländern z. B.
zusätzliche Kontrollen mit dem Schwerpunkt
Listerien angeordnet und dass Betriebe alle
ihre Produkte darauf untersuchen lassen müs-sen.
Der Fleischerverband Bayern erstellte
schon 2011 mit dem bayerischen Verbraucher-schutzministerium
und dem LGL einen Pro-benplan
für Innungsbetriebe, der die Untersu-chung
auf L. monocytogenes bei risikoreichen
Produkten wie Rohwurst und Rohschinken
beinhaltet. Im Rahmen des Hygienepaketes
und des Metzger Cups (Quali-tätsprüfung)
wurden in den vergangenen Jahren weit
über 6.000 Produkte auf Listerien untersucht.
Auch die nun verstärkt geforderten Umge-bungstupfer
setzen einige Betriebe seit über
drei Jahren ein. Wir sind also gut aufgestellt.
Hinzu kommt, dass das bayerische Verbraucher-schutzministerium
eine Handlungsempfehlung
bezüglich Listerien für die Kontrollbehörden
erarbeitet hat, die sicher dazu beiträgt, dass
nicht überreagiert wird.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, Listerien
im Betrieb nachzuweisen?
Generell muss man unterscheiden, wo man Lis-terien
sucht und ggf. dann auch findet. Unsere
Erfahrungen zeigen, dass sie im Produkt sehr
selten gefunden werden. Sollte sie doch mal
nachweisbar sein, liegt der Wert in der Regel
deutlich unter dem Grenzwert. Das Produkt ist
nicht gesundheitsgefährdend. Anders sieht es
bei den Umgebungstupfern aus. Hier kommt
es immer wieder mal zu Listerienfunden. Das
ist aber erst einmal nicht dramatisch, sondern
zeigt nur, das es sie im Betrieb gibt. Umge-bungstupfer
sind eine Art „Frühwarnsystem“,
Svenja Fries,
stv. Geschäftsführerin
Fleischerverband
Bayern
INTERVIEW
fer zur Untersuchung beigelegt. Ebenso gibt
es eine Extra-Hygieneschulung mit Schwer-punkt
Listerien. Neben Eigenkontrollen ist es
auch wichtig, die Produktionsschritte – be-sonders
die Rezepturen – zu überprüfen. Auch
dabei unterstützt der Verband. Im Rahmen
der neutralen Betriebsprüfung schaut sich
eine Mitarbeiterin des Verbandes den Betrieb
genau an und kann Hinweise geben, an wel-chen
Stellen die Gefahr einer Rekontamination
bestehen könnte. Auch die Rezeptur hat große
Auswirkungen, inwieweit sich Listerien in einem
Produkt vermehren können. Gerade bei schnell-
gereiften Rohwürsten, z. B. Mett- oder Teewurst,
ist es wichtig, mit Schutzkulturen zu arbeiten.
Auch wenn Produkte für Verkaufsautomaten
aufgeschnitten und mit einem längeren MHD
versehen werden, kann es nützlich sein, mit
Hilfsmitteln, z. B. gemildertem Essig, zu arbeiten.
Wie sieht es in Bayern aus?
Wir haben seit Jahren eine konstante An-zahl
gemeldeter Listeriosefälle. Es ist rich-tig,
dass man nach den aktuellen Skandalen
genauer hinschaut und alles unternimmt, um
die Anzahl der Listeriosefälle zu senken. Den-noch
sollte das Ganze nicht überbewertet
werden. 2019 hatten wir 78 Fälle von Liste-riose-
Erkrankten, aber über 2.000 erkrankte
Personen, z. B. durch Salmonellen. Wichtig ist
es, Betrieben die Angst zu nehmen, dass bei
einem positiven Listerienfund bei einem Um-gebungstupfer
gleich der Betrieb geschlossen
wird. Eine nachgewiesene Listerie im Produkt
ist zwar ein Grund, alles genau zu überprüfen,
aber es bedeutet nicht, dass ein unsicheres
Produkt hergestellt wurde und Menschen er-krankt
sind. mth
dass das Risiko einer Rekontamination besteht.
Listerien werden beim Erhitzen sehr leicht ab-getötet.
Bei Rohwurst und Rohschinken lässt
sich das Wachstum durch entsprechende
Abtrocknung und den Einsatz von Starter-/
Schutzkulturen verhindern. Die größere Gefahr
ist, dass auf ein fertiges Produkt erneut Listerien
gelangen. Das gilt es zu verhindern. Genau da
setzen die Tupfer an. Wenn nach der Reinigung
Listerien etwa im Gully nachgewiesen werden,
weiß man, dass es im Raum oder – noch wahr-scheinlicher
– im Gully selbst – einen Listerien-herd
gibt. Durch entsprechende Reinigung, ggf.
auch mal einen Wechsel des Reinigungsmittels,
lassen sie sich gut eliminieren.
Was sollte man prüfen?
Folgende Stellen sollten mittels Umge-bungstupfern
nach der Reinigung überprüft
werden:
Oberflächen ohne Lebensmittelkontakt
Abflüsse/Gullys, Innenpaneele von Geräten,
Kondensat-Auffangwannen, Kühleinheiten,
Gummidichtungen, Türgriffe und Armaturen
Oberflächen mit Lebensmittelkontakt:
Aufschnittmaschinen, Schneidbretter,
Zerkleinerer, Schäler, Abfüll- und Ver-packungsgeräte
Welche Stellen oder Utensilien sollten vom
Betrieb unbedingt geprüft werden?
Seit 2005 heißt es in der Verordnung (EG) Nr.
2073/2005, dass neben Produktproben (z. B.
Rohwurst, Rohschinken und Produkten mit
einem MHD länger als 5 Tagen) auch sog.
Umgebungstupfer aus Verarbeitungsberei-chen
und von Ausrüstungsgegenständen auf
L. monocytogenes untersucht werden müssen.
Das macht absolut Sinn. In einigen Fällen ist
es zudem sinnvoll, während der Produktion
Tupferproben zu nehmen. Etwa dann, wenn
in einem Produkt Listerien nachgewiesen
wurden und man von einer Rekontamination
innerhalb des Betriebes ausgehen muss.
Wie unterstützen Sie als Verband Mitglieds-betriebe
bei der Listerienprophylaxe?
Der Fleischerverband Bayern unterstützt die
Innungsbetriebe an mehreren Stellen bei der
Listerienproblematik, etwa bei der Durchfüh-rung
der Eigenkontrollen. So wurde das seit
2011 etablierte Konzept H+ (Hygienepaket)
überarbeitet und an die aktuelle Listerien-
situation angepasst. Seit 1.1.2020 werden
beim Hygienepaket standardmäßig fünf Tup-
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