Christian Blümel
Redakteur
Editor
TRIUMVIRAT
DES WEGSCHAUENS
TRIUMVIRATE OF
LOOKING AWAY
Dunkler hätten sich das die schlimmsten Apokalyptiker
kaum ausmalen können: eine blitzsaubere Wurstfabrik
im Norden von Hessen als Schauplatz eines der schwers-ten
Lebensmittelskandale, welche die Bundesrepublik Deutsch-land
je erschüttert haben. Drei Menschen sind bislang an Listeri-en
gestorben, mit denen sie sich beim Verzehr von Fleisch- oder
Wurstprodukten aus dem Hause Wilke infiziert hatten. Dut-zende
weitere sind erkrankt, die Dunkelziffer ist hoch, zumal
von dort große Player des Lebensmitteleinzelhandels ebenso
beliefert wurden wie GV-Küchen und Fleischgroßhändler. Mitt-lerweile
ist der Skandalbetrieb zugesperrt und pleite.
Was jetzt scheibchenweise ans Licht kommt, ist allenfalls
einer Bananenrepublik würdig, nicht aber einer der führenden
Industrienationen der Welt. Es ist eine unheilvolle Allianz aus
unternehmerischer Dreistigkeit, mangelhafter Überwachung
und existenziellen Arbeitsplatzängsten, die in den Mega-Gau
geführt hat. Ein Triumvirat des Wegschauens.
Was ist zu tun? Schärfere Gesetze helfen nur, wenn die Lebens-mittelüberwachung
mit schlagkräftiger Personalstärke agieren
kann. Gerade daran hapert es, weil sparwütige Parlamentarier
die Überwachungsbehörden ausbluten lassen. Eine Einladung
für skrupellose Hasardeure, mit kriminellen Geschäftsmodellen
den schnellen Reibach zu machen.
Besonders beliebt ist dabei das Spiel mit den Ängsten der Arbeit-nehmer.
Gerade der Fall Wilke zeigt das exemplarisch. Ein Unter-nehmen
mit rund 200 Angestellten als größter Arbeitgeber des
Ortes – wer mit dem Finger auf die Missstände gezeigt hätte, wäre
schnell als Brunnenvergifter abgeurteilt worden. Dennoch: Auch
so mancher Wilke-Mitarbeiter ist mitverantwortlich für den Skan-dal.
Jetzt einer großen deutschen Boulevard-Postille Aufnahmen
des Grauens aus dem Jahr 2017 zu verscherbeln, anstatt schon
damals Alarm zu schlagen – Zivilcourage sieht ganz anders aus.
Wie Hygiene funktioniert, ist in diesem Heft übrigens auf den
Seiten 39 bis 44 nachzulesen.
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The worst apocalyptics could hardly have imagined it
more darkly: a spotlessly clean sausage factory in the
north of Hesse as scene of one of the most serious
food scandals that have ever shaken the Federal Republic
of Germany. So far, three people have died of listeria, which
they had been infected with while eating meat or sausage
products from Wilke. Dozens more are ill, the number of
unreported cases is high, especially since large players in the
food retail trade were supplied from there, as were canteen
kitchens and meat wholesalers. In the meantime, the scan-dalous
factory has been closed and is bankrupt.
What now comes to light in small slices is at best worthy
of a banana republic, but not of one of the world’s leading
industrial nations. It is an ominous alliance of entrepre-neurial
audacity, inadequate supervision and existential job
fears that has led to the super catastrophy. A triumvirate of
looking away.
What’s to do? Stricter laws only help if food monitoring
can operate with a powerful workforce. This is precisely
what’s lacking while politicians in their eagerness of saving
money bleed the monitoring authorities to hell. An invi-tation
for unscrupulous gamblers to use criminal business
models to make a quick profit.
The game with employees’ fears here is particularly popu-lar;
the Wilke case is an apt example of this. A company
with around 200 workers as the largest employer in town -
one who pointed the finger at the grievances would quick-ly
have been judged as a backstabber. Nevertheless: Some
Wilke workers are also jointly responsible for the scandal.
Now selling shots of horror from 2017 to a big German
newspaper instead of sounding the alarm back then - civil
courage looks quite different.
By the way, how hygiene works can be read here on pages
39 to 44.
EDITORIAL
/www.linde-gas.com