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Hinter der Theke bei Edeka Cramer ist ein Bildschirm angebracht, in dem
man beispielsweise Schweine in den Ställen und auf den Außenflächen sieht.
Das Schweinefleisch von Edeka Cramer kommt aus dem Aktivstall von Gabriele
Morixmann in Hilter, der den Kunden per Bildschirm nahe gebracht wird.
Live-Bilder aus
SERVICE & BEDIENUNG
Stall und Produktion
Kundenvertrauen gewinnt
man auf verschiedenen Wegen.
In erster Linie sind natürlich
die Fachkräfte gefragt. Denn
auf die Frage, warum sie hier oder
dort einkaufen, antworten insbesondere
Stammkunden sehr oft,
Fleischkauf ist zu einem großen Teil
Vertrauenssache. Eventuell vorhandene Skepsis
kann durch ein hohes Maß an Transparenz
ausgeräumt werden, wie Fleischsommelier
Michael Keller anhand einiger Beispiele zeigt.
weil Frau Meier oder Herr Müller
hinter der Theke stehen und ich dort immer zufriedenstellend bedient
werde. Das ist ein emotionaler Aspekt, der auf der persönlichen
Kundenbeziehung basiert.
Aber auch das komplette Team und die Stimmung innerhalb der
Mannschaft spielen eine große Rolle. Der Kunde merkt sehr schnell,
wenn zwischenmenschliche Spannungen in der Luft liegen. Das wirkt
sich auf sein Gefühl aus und kann dazu führen, dass er sich unwohl
fühlt und den Laden meidet. Darüber hinaus sind die Atmosphäre der
Einkaufsstätte sowie die regionale Nähe entscheidend für die Entscheidung,
ein Geschäft aufzusuchen. Weitere Argumente sind das
Sortiment und die Präsentation der Ware. Auch hierdurch kann man
dafür sorgen, dass sich der Kunde wohlfühlt.
Was schon immer sehr wichtig war und was man seit einigen Jahren
auch in bewegten Bildern darstellen kann, ist die Transparenz der
Fleischherstellung. Inzwischen gibt es Live-Bilder aus den Ställen und
der Produktion. Im Hintergrund der Theke ist ein Bildschirm angebracht,
in dem man beispielsweise Schweine in den Ställen und auf
den Außenflächen sieht. Einer der Pioniere in diesem Bereich ist die
Firma Rewe Richrath, die mit 15 Märkten eine der national größten
selbstständigen Rewe-Händler ist. Im Kölner Raum beheimatet,
zeigt der Händler unter der Marke
„Richrath’s Landmetzgerei“ beispielsweise
Live-Bilder aus den Rinderställen
der Landwirtsfamilie Mager aus
Erftstadt-Gymnich oder die Strohschweine
mit Auslauf vom Potterhof
und Bauer Willi Steffens aus Brüggen-
Bracht. So kann der Kunde auf den
Bildschirmen hinter der Theke sehen, wie die Tiere dort aufwachsen,
um später als Rouladen oder Schnitzel in der Theke zu liegen.
Es stellt sich natürlich die Frage, ob es den Kunden nicht abstößt,
wenn er das lebende Tier beispielsweise mit dem angebotenen Gulasch
in Verbindung bringt. Sebastian Cramer, der acht Edeka-Märkte
rund um Hannover in Niedersachsen betreibt, räumt ein, dass er sich
vor dem Einsatz der Bildschirme viele Gedanken wegen dieses Sachverhalts
gemacht und Argumente für die Installation gesammelt hat.
In der Praxis stellte sich die Verbindung von lebendem Tier und Nahrungsmittel
allerdings nicht als Problem heraus. Wichtig war allerdings
eine klare Vorgehensweise und strukturierte Schulung der Mitarbeiter
zu diesem Thema. Edeka Cramer nutzt die Regionalität, bei
der alle Erzeugerstufen aus Niedersachsen kommen. Die Schweine
werden im Aktivstall von Gabriele Mörixmann in Hilter produziert. Es
ist ein klassisches Mastschwein mit einer Duroc-Einkreuzung, das im
Aktivstall frei wählen kann, wo es sich aufhält. Der Auslauf ist ständig
offen und durch flexible Plexi-Türsysteme gewährleistet. Offene Außen
Terrassen mit Stroheinstreu gibt es in alle Himmelsrichtungen, so
dass die Schweine wählen können, ob sie auf die Nord-, West-, Süd-
oder die Ost-Terrasse möchten. Sie können aber auch im Stall bleiben
38 6/2022 Fleisch-Marketing