SERVICE & BEDIENUNG
In der Haltungsform vier haben die Tiere viel Auslauf. Das Label-Rouge-Zeichen gibt es seit mehr als 50 Jahren.
Dickicht der Etiketten
Haltungsformen, Tierschutz-Siegel und besonders gelabelte Qualitäten – wer
Fleisch verkauft, sollte sich im Dickicht der Etiketten auskennen. Fleischsommelier
Michael Keller gibt einen Überblick und charakterisiert einzelne Label.
Seitdem die konventionelle Fleischerzeugnis in der Diskussion
ist, gibt es von fast jedem deutschen Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz neue Bestrebungen,
besondere Produktions- und Tierschutz-Label einzuführen.
Seit 2013 gibt es das Siegel „Für Mehr Tierschutz“, das vom deutschen
Tierschutzbund unterstützt wird, mit der Einstiegs- und der Premiumstufe.
Die Produktionsrichtlinien der Einstiegsstufe mit einem
Stern sind höher und in der Premium-Stufe mit zwei Sternen deutlich
höher als der gesetzliche Standard. Darüber hinaus wurden auch von
Tierrechtsorganisationen – beispielsweise Vier Pfoten – für bestimmte
Produktionsverbesserungen ein Tierschutzsiegel vergeben.
Im Jahre 2015 startete dann unter dem Dach der Gesellschaft zur
Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH die „Initiative
Tierwohl“. Die Teilnehmer aus dem Handel müssen pro verkauftem
Kilogramm Fleisch und Fleischwaren eine Gebühr an die Trägergesellschaft
der Initiative Tierwohl zahlen. Diese kommt den Landwirten
zugute, um so nach und nach die Produktionsbedingungen der
Tiere zu verbessern. Im Januar 2017 stellte dann der damalige Bundesminister
Christian Schmidt (CSU) auf der Internationalen Grünen
Woche in Berlin sein geplantes, staatliches Siegel „Mehr Tierwohl“
vor. Produktionstechnisch sollte es an das Siegel, das vom Deutschen
Tierschutzbund unterstützt wird, angelehnt und 2018 beziehungsweise
2019 eingeführt werden. Daraufhin fragten sich der Handel-
und die Handelsverbände, ob ein staatliches Siegel überhaupt benötigt
wird, und wurden selbst aktiver.
Im April 2018 ließ der Discount-Riese Lidl aufhorchen, als er auf
seinen Fleisch Selbstbedienung-Fleischprodukten zum ersten Mal einen
Haltungskompass aufdruckte. Lidl teilte in vier Haltungskrite-
rien ein: Stallhaltung, Stallhaltung plus, Auslauf und Bio. Bereits einen
Monat späte folgte „Netto“, der Discounter der Edeka-Gruppe, mit
dem „Haltungszeugnis“ und den vier Stufen „Konventionelle Stallhaltung“,
„Nachhaltige Stallhaltung“, „Außenklima“ und „Bio Haltung“.
Darauf reagierte der Deutsche Bauernverband und forderte erneut
ein zweistufiges staatlich unterstütztes Tierwohlsiegel. Kurz darauf
brachte auch Aldi sein eigenes vierstufiges Haltungsform-Logo auf
den Produkten an. Um hier eine einheitliche Handelsaussage zu
schaffen, nahm die Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der
Nutztierhaltung mbH die Sache in die Hand. Im Januar 2019 verabredeten
die Marktteilnehmer ein gemeinsames Vorgehen und stellten
es auf der Grünen Woche in Berlin vor.
Doch was verbirgt sich hinter den Haltungsformen, die von den
großen Handelsunternehmen unterstützt und getragen werden. Die
Haltungsform eins Stallhaltung orientiert sich am gesetzlichen Standard,
wird meist zusätzlich mit dem QS-Siegel gelabelt und macht bei
weitem noch den Hauptanteil für Schweine- und Rindfleisch aus. Bei
Geflügel zeichnet sich ab, dass die Haltungsform zwei und somit Stallhaltung
plus zum Standard wird. Die maßgeblichen Hauptkriterien –
am Beispiel der Hähnchen – sind zehn Prozent mehr Platz im Stall
während der Aufzuchtzeit. Es gibt organisches Beschäftigungsmaterial
aus veränderbarem und sich verbrauchendem Material – beispielsweise
Stroh, Picksteine. Dafür zahlt der Handel 4,25 Cent pro
Kilogramm in den Fond der Initiative Tierwohl (ITW). Zusätzlich zum
Siegel Stallhaltung Plus bekommt der Teilnehmer das „Initiative-Tierwohl
Siegel“ auf seine Produkte.
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