TOP-THEMA • FLEISCHLOSE ALTERNATIVEN
Veggie ist mehr als ein Trend. Die
pflanzlichen Produkte haben sich
einen festen Platz in den Supermarkregalen
und den Speise-
karten erobert. Ob das Angebot
jedoch „durch die Decke gehen
wird“, wie Investoren insbesondere
in den Vereinigten Staaten offensichtlich
glauben, oder sich als
solide Fleischalternative etabliert,
wird die Zukunft zeigen. Auffallend
ist jedoch, dass immer mehr
Große der europäischen Fleisch-
industrie auch vegetarische und
vegane Produkte herstellen.
Der Markt für Ersatzprodukte zu tierischen
Lebensmitteln kann – laut
der Studie „Food for Thought: The
Protein Transformation“ der Strategieberatung
Boston Consulting Group (BCG) und
der Pure-Play Beteiligungsgesellschaft Blue
Horizon Corporation – bis 2035 von derzeit
etwa 40 auf 290 Milliarden US-Dollar anwachsen.
„Alternative Proteine werden tierischen
Proteinen schon bald in Geschmack,
Textur und Preis in nichts mehr nachstehen.
Wir erwarten, dass dies die Wachstumswelle
auslöst, die den heute noch recht jungen
Markt in den Mainstream katapultiert und
erhebliche Umweltvorteile mit sich bringt“,
erklärt Benjamin Morach, BCG-Partner und
Co-Autor der Studie.
Der Report prognostiziert, dass der Markt
für alternative Proteine bis 2035 von derzeit
13 Millionen Tonnen jährlich auf 97 Millionen
Tonnen wachsen wird. Das entspräche
etwa elf Prozent des gesamten Proteinmarkts.
Schnellere technologische Innovationen
und ein vorteilhaftes regulatorisches
Umfeld könnten den Marktanteil von alternativen
Proteinen bis 2035 sogar auf 22 Prozent
ansteigen lassen, meinen die Autoren.
Dabei würde der Konsum von Fleisch, Eiern
Auch alternative Schnitzel finden
immer mehr Anhänger.
Foto: Neuburger Fleischlos
Dynamische
Entwicklung
und Milchprodukten in Europa und Nordamerika
2025 seinen Höchststand erreichen
und der Verzehr von Proteinen aus tierischer
Herkunft anschließend zurückgehen, so das
Szenario. Der Schlüssel für die Akzeptanz alternativer
Proteine liegt allerdings in der
Gleichwertigkeit: Sie müssen ebenso gut
schmecken und sich anfühlen wie tierische
Lebensmittel und sollten genauso viel oder
sogar weniger kosten.
Chance für Investoren
Nach der Studie wird diese Angleichung – je
nach Technologie und den Produkten, die sie
ersetzen sollen – jedoch zeitlich variieren. So
erwarten die Autoren, dass pflanzliche Alternativen
und Ei-Ersatzprodukte, etwa aus
Soja und Erbsen, 2023 preislich und geschmacklich
konkurrenzfähig sind. Proteine
aus Mikroorganismen wie Pilzen, Hefen und
einzelligen Algen sollen bis 2025 und direkt
aus tierischen Zellen gewonnen Alternativen
bis 2032 Gleichwertigkeit erreichen.
Um die Technologien für alternative Proteine
zu perfektionieren und auf ein industrielles
Niveau zu heben, sind allerdings – laut
Studie – Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe
nötig. Das biete Investoren die
Chance, früh zu agieren und zu wichtigen
Playern in der Lebensmittelbranche der Zukunft
zu werden, sagt Björn Witte, CEO von
Blue Horizon.
Nicht alle Experten schätzen die Zukunft
der Veggie-Produkte so rosig wie die Studie
ein. Foodforscherin Hanni Rützel hält beispielsweise
die Fleischalternativen „im Moment
noch für Übergangsprodukte“. Nur die
besten Konzepte würden überleben, die anderen
wieder verschwinden, glaubt sie. Einigkeit
herrscht bei den Fachleuten bei der
Beurteilung des derzeitigen Marktes für alternative
Proteine: Er entwickelt sich sehr
dynamisch und wird weiter wachsen. So ist
der Absatz von veganen und vegetarischen
Produkten nach IRI-Zahlen von 2018 zu
2019 um rund 25,4 Prozent und im Jahr darauf
nochmals um 60,6 Prozent gestiegen. Das
bedeutet: 2020 wurde in der Menge etwas
mehr als doppelt so viel abgesetzt wie zwei
Jahre zuvor.
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis)
produzierten die Unternehmen 2020
hierzulande knapp 39 Prozent mehr Fleischersatzprodukte
als im Vorjahr: Von knapp
60,4 tausend Tonnen stieg die Produktion auf
gut 83,7 tausend Tonnen. Der Wert dieser
12 6/2021 F leisch-Marketing