FLEISCHLOSE ALTERNATIVEN • TOP-THEMA
Pflanzenhunger im europäischen Vergleich
Überall in Europa steigt die Lust auf pflanzliche Alternativen. Eine neue Studie, für die
Supermarktdaten aus mehr als zehn Ländern ausgewertet wurden, offenbart allerdings
Unterschiede. Spitzenreiter bei den Fleischalternativen ist Deutschland, wo der Umsatz
binnen eines Jahres um 76 Prozent gewachsen ist. Platz zwei gebührt den Österreichern
mit einer Steigerung von gut 50 Prozent. Schlusslicht ist Italien mit nur einem
Prozent Wachstum. In Deutschland habe die Nachfrage nach pflanzenbasierte Alternativen
besonders bei Discountern zugenommen, erklärt Dr. Kai-Brit Bechtold, Marktforscherin
bei der internationalen Ernährungsorganisation Pro Veg. Daraus folgert sie,
dass pflanzliche Alternativen keine Nischenprodukte mehr sind.
teinbedarf der wachsenden Menschheit
nicht von der Fleischproduktion gedeckt
werden kann, hat das Unternehmen neben
dem Geschäftsfeld Geflügel mit der Marke
Wiesenhof ein weiteres etabliert: alternative
Proteinquellen. „Dort setzen wir neben unserer
eigenen, pflanzenbasierten Produktion
auf moderne Technologien wie Cultured
Meat und 3-D-Druck sowie auf Vertriebspartnerschaften
– beispielsweise mit dem USamerikanischen
Unternehmen Eat Just, das
mit dem Produkt Just Egg auf der Basis von
Mungobohnen eine pflanzliche Alternative
zum herkömmlichen Ei entwickelt hat“, erklärt
Dr. Ingo Stryck. Komplementiert würde
die Strategie durch Investitionen in innovative
Partner wie dem Unternehmen Livekindly,
das als Vorreiter in der Entwicklung
pflanzlicher Proteinalternativen gilt, sagt der
Marketingleiter der PHW-Gruppe weiter.
Folgen der Pandemie
Auswirkungen auf die wachsende Akzeptanz
der Fleischalternativen hat auch die Pandemie.
Denn Corona hat die Sensibilität der
Menschen für die Fragilität und Empfindsamkeit
der Lebensbedingungen geschärft.
Viele Verbraucher wünschen sich daher zunehmend
lokale, gesunde und umweltfreundliche
Produkte zu fairen Preisen. Interessant
ist in diesem Zusammenhang eine
Untersuchung von Pospulse. Das Marktforschungsunternehmen
aus Berlin hat knapp
2000 Haushalte im Mai 2020 und im März
2021 befragt, um herauszufinden, welche
Veränderungen die Pandemie bei Lebensmitteleinkäufen
bewirkt hat. Das Ergebnis:
Viele Veränderungen gab es nicht, aber 18
Prozent der befragten Personen haben sich
mehr vegetarisch ernährt und das mit Corona
begründet.
Auch Heike Miéville-Müller hat festgestellt,
dass die Tendenz zu Fleischalternativen in
der Pandemie stärker geworden ist. „Immer
mehr Menschen essen und kochen zu Hause,
wollen Neues ausprobieren und achten verstärkt
auf ihre Gesundheit. Davon profitiert
Wachsender Anspruch an alternative Produkte
Mehr als 50 Fachleute aus Wirtschaft,
Wissenschaft und Politik trafen sich Ende
April auf der von Pro Veg organisierten internationalen
New Food Conference online,
um über die pflanzen-basierte Ernährung
der Zukunft zu sprechen. Die Experten gehen
davon aus, dass die Corona-Pandemie
den Trend zu pflanzlichen Proteinen beschleunigt,
weil die Nutzung von Tieren für
die Lebensmittelproduktion der größte Risikofaktor
für das Entstehen von Pandemien
sei. Des Weiteren wird prognostiziert, dass
neue Technologien und Inhaltsstoffe „plantbased“
immer besser machen und so die
breite Masse der Konsumenten mit vertrauten
Geschmackserlebnissen, Texturen
und Zubereitungsarten erreichen. Damit
könne auch die wichtigste Zielgruppe, die
wachsende Zahl der Flexitarier, angesprochen
werden.
Erwartet wird überdies, dass Fisch und
Meeresfrüchten aus Zellkulturen oder pflanzlichen
Proteinen weiteren Auftrieb bekommen.
Für das Fleisch aus Stammzellen sehen
die Experten ebenfalls eine Zukunft, nachdem
im vergangenen Dezember Singapur als
erstes Land den Verkauf von Fleisch aus
Stammzellen genehmigt hat. Allerdings ist
der Preis, der deutlich über herkömmlich erzeugtem
Fleisch liegt, ein Hindernisgrund.
Auch das Eierlegen wird sich verändern,
denn dafür braucht man keine Hühner mehr.
Pflanzliche Produkte, ob flüssig oder als
Pulver, ersetzen Ei in Omeletts, Panaden,
der Markt für vegane und vegetarische
Fleischersatzprodukte“, sagt sie. Beim österreichischen
Unternehmen Veggie Meat hat
man überdies beobachtet, dass die Negativschlagzeilen
über „die teilweise verheerenden
Zustände in diversen Schlachthöfen den
Markt für pflanzliche Fleischalternativen
noch weiter gepusht“ haben.
Quiches und Kuchen. Die Expansion des
Marktführers für Ei-Alternativen Eat Just
nach Asien und Europa stehe bevor, war zu
hören.
Grundsätzlich wurde ein wachsender Anspruch
an die Alternativ-Produkte in Sachen
Geschmack, „saubere“ Zutatenlisten, regionale
Herkunft und erschwingliche Preise konstatiert.
Darüber hinaus wurde betont, dass
immer mehr Unternehmen die Notwendigkeit
und das Potenzial, den wachsenden Hunger
der Weltbevölkerung auf ressourcenschonende
Weise zu stillen, erkennen und
Lösungen finden würden. Und je besser und
erschwinglicher die neuen Produkte würden,
desto leichter falle es Verbrauchern, sich für
plant-based zu entscheiden.
6/2021 Fleisch-Marketing 15