SERVICE & BEDIENUNG
Auch auf der letztjährigen Anuga in Köln war das traditionelle Reifen ein Messethema.
So wurden auch einsehbare Dry-Aged-Reifeschränke präsentiert.
überschaubar ist. Denn man muss sich auch vor Augen führe, dass
eine längere Reifung immer mit einem höheren Gewichtsverlust einhergeht.
Überdies wächst der notwendige Zuschnittsverlust an den
Trocknungsstellen, da das Fleisch nach innen hin weiter durchtrocknet
und die schwarzen Kanten immer dicker werden.
Es stellt sich auch die Frage, was im Trockenschrank gut reifen
kann. Beim Rindfleisch benötigt man gedeckte Ware, in der darüber
hinaus intramuskuläres Fett integriert ist. Am besten eignen sich Färsen
– also weibliche geschlechtsreife Rinder, die noch nicht gedeckt
wurden und somit noch nicht gekalbt haben. Wenn sie ein Alter zwischen
zwei und zweieinhalb haben und von Fleischrinderrassen wie
Angus, Galloway oder Limousin stammen, sind das die besten Voraussetzungen.
Das gilt auch für fleischfüllige Zweinutzungsrassen
wie Simmentaler, Hinterwäldler oder Pinzgauer. Ochsenfleisch, aber
auch alte Kühe mit den Fettklassen III oder IV eignen sich hervorragend
zur Trockenreifung, wenn der PH-Wert so um 5,6 liegt.
Neben den Rücken eigenen sich auch ganze Schultern zur Dry-
Aged-Reifung, denn so können einige neue Steakzuschnitte – beispielsweise
Metzgerstück oder Flat Iron – passend ausgelöst und
wertig vermarktet werden. Bei allen einlagernden Teilstücken sollten
die Muskelpartien geschlossen sein, also keine Stich- oder Schnittverletzungen
aufweisen, weil sich dort vorhandene Bakterien vermehren
und so zum Verderb führen können.
Neuerdings findet man auch Teilstücke vom Schwein in den Trockenreifungsschränken.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass die
Teilstücke ebenfalls intramuskuläre Fettstrukturen im Fleisch aufweisen
und dass man möglichst die Schwarte an den Muskeln belässt.
Hervorragend eignen sich Schweineteile wie Bauch, Kotelett oder
Stücke vom Rücken. Zu bevorzugen sind alte Schweinerassen, die
derzeit wieder im größeren Stil aufgezogen werden – wie Schwäbisch
Hallisch, Buntes Bentheimer oder Duroc.
Sehr gut funktionieren auch Aktivstall- oder Strohschweine, die
deutlich älter werden, meist Einkreuzungen von alten Rassen sowie
Pietraen sind und genügend Auslauf im Außenbereich haben. Das
Fleisch dieser Schweine hat eine deutlich festere Fleischstruktur, die
überdies deutlich trockener ist als die klassischer Mastschweine, die
im Alter von 4 bis 5 Monaten geschlachtet werden. Einige Kollegen
In einem einsehbaren Schrank kann der Kunde den Reifeprozess verfolgen
– beispielsweise von der Einlagerung bis zur Reifung nach 18 Tagen.
haben auch Lammfleisch trocken weiter gereift. Der Effekt, dass dadurch
der typisch feine Geschmack deutlich kräftiger ausgebildet
wird, macht die Produkte für den einen oder anderen Kunden interessanter.
Ein weiterer Vorteil des Dry-Aged-Angebotes ist es, dass
man eine Geschichte zum Fleisch erzählen kann. Das sollte man nutzen,
denn dann tritt der Preis in den Hintergrund. Wer einen Dry Ager
hat, sollte experimentierfreudig sein. Testen Sie die neue alte Reifemethode
an verschiedenen Teilstücken und probieren Sie das Fleisch
mit Ihrem Team. So haben Sie die Möglichkeit, Ihren Kunden Produkte
zu empfehlen und dabei auch geschmackliche Aspekte in die Verkaufsgespräche
Köstlich:
Simmentaler
Färsen Entrecote,
zugeschnitten
nach 35 Tagen.
einfließen zu lassen.
Der Autor
Michael Keller ist Fleischermeister,
Jäger und selbstständiger Fachberater
für französischen Käse, Rindfleisch,
Geflügel und Wein. Der Fachdozent
für Geflügel und Wild, der sich
seit 2017 zertifizierter Fleischsommelier
nennen darf, ist überdies
Teambetreuer des National Teams
Metzger „The German Wolf Pack“
und Jury-Präsident beim Kreativ-
Award-Wettbewerb von Fleisch-
Marketing. www.keller-promotion.de
3/2020 Fleisch-Marketing 33