SERVICE & BEDIENUNG
Mit individuellen ladenbautechnischen Lösungen kann die Fleischreifung eindrucksvoll präsentiert werden, um das Interesse der Kunden zu wecken
und mit ihnen über die Vorteile dieser Methode ins Gespräch zu kommen.
Comeback einer
alten Reifemethode
Dry Aged ist eine traditionelle Reifemethode, die lange Zeit keine Rolle mehr spielte.
Dass sie mittlerweile in Deutschland wieder im Fokus steht, überrascht Michael Keller nicht.
Denn der Fleischsommelier ist überzeugt, dass alles, was gut ist, zurückkommt.
Früher war es üblich, insbesondere Rindfleisch im Trockenen abreifen
zu lassen, um den Geschmack zu intensivieren und das
Fleisch mürber zu machen. In meinem Lehrbetrieb im Jahre
1977 gab es im Fleischkühlhaus links hinten eine Ecke, die zum Abreifen
der ganzen Rinderrücken hervorragend geeignet war. Diese Stelle
war aufgrund des Deckenventilators besonders gut durchlüftet. Hinzu
kam, dass ein untergeschobenes Salzbecken nicht nur die Feuchtigkeit
aufnahm, sondern auch Salzaromen abgab. Abgehangen wurde
dieser Bereich der hinteren Rohrbahn mit Leinentüchern, so dass in
diesem Teil des Kühlhauses ein außergewöhnliches Klima herrschte.
Erst nach drei Wochen dieser „Trockenreifung“ kamen die Rücken
und Filets unter das Messer, wurden ausgelöst, zugeschnitten und
vakuumiert. Somit waren sie im Ladengeschäft direkt verkaufsfähig.
Diese damals übliche Reifemethode wurde – meist aus Kostengründen
– irgendwann eingestellt. Das Fleisch wurde frisch zerlegt und
direkt vakuumiert. Bei diesem anaeroben Reifeverfahren hatte man
deutlich weniger Trocknungsabschnitte, einen geringeren Saftverlust
und konnte so besser kalkulieren.
Auf der Strecke blieb allerdings die Geschmackskonzentration des
Fleisches. Denn im Vakuum sind die Milchsäurebakterien deutlich
aktiver und sorgen bei endsprechend langer Reifung zwar für extreme
Zartheit, aber auch für eine Einsäuerung des Fleisches. Und diese
Erhöhung des Hämoglobin-Wertes erzeugt ein „leicht metallisches“
Geschmacksbild.
Da aber alles, was gut ist, wiederkommt, steht seit gut zwölf Jahren
trockengereiftes Fleisch in Deutschland erneut im Fokus – allerdings
unbenannt in Dry Aged. Der Impuls kam jetzt aus den USA, wo diese
Methode zur Geschmackskonzentration schon länger angewandt
wurde – vor allem in gut gehenden Steakhäusern. Denn der Trend
bietet Fleischanbietern eine große Chance, ihre Kompetenz zu beweisen.
Auch die Produzenten von Kühlaggregaten haben reagiert und
stellen heute ein großes Sortiment an Dry-Aged-Schränken zur Verfügung.
Teilweise werden auch individuelle ladenbautechnische Lösungen
angeboten, um den Trend zu nutzen. So kann die Fleischreifung
vor den Augen der Kunden präsentiert werden, um deren Interesse
zu wecken und um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Bei der Frage nach der Dauer des Abreifens gibt es einige Grundsätze
zu beachten. Wenn man die Fleischentwicklungs- und Geschmackskurven
bei der Reifung betrachtet, stellt man beispielsweise
fest, dass für Rücken mit Knochen ein Reifepunkt zwischen 28 und
35 Tagen ideal ist. Zu diesem Reifzeitpunkt hat man ein vernünftiges
Geschmacksprofil, und auch der Zartheitsaspekt ist auf einem erstklassigen
Niveau. Dazu kommt, dass die kalkulatorische Komponente
32 3/2020 Fleisch-Marketing