Als Absatzunterstützung beim Duke of Berkshire Kotelett
bietet sich „Story Telling“ an – zumal die außergewöhnliche
Aufzucht in jeder Fleischfaser zu schmecken ist.
somit über ein Alleinstellungsmerkmal. Handelsunternehmen
können sich mit Produkten von alten Rassen vom Wettbewerber
absetzen und überdurchschnittliche Fachkompetenz demonstrieren.
Wichtig ist meines Erachtens aber, dass man sich nicht
nur auf die sogenannten Edelteile konzentriert, sondern versucht,
das ganze Tier im Angebot darzustellen. In eine gute Erbsensuppe
gehören beispielsweise Pfötchen und Schwänzchen,
ein Stück Bauch und dicke Rippe.
Es ist derzeit ein Trend erkennbar, das ganze Tier – wie früher
üblich – zu verwerten. Man muss sich allerdings Gedanken machen,
wie man das am besten realisieren kann. Ein hervorragendes
Beispiel ist das „Duke of Berkshire“: Hier sucht und findet ein
Handelsunternehmen wie Handelshof über den Schlachtbetrieb
Brand Qualitätsfleisch die passenden Züchter. Man kümmert sich
gemeinsam um Erzeuger sowie Mäster, und der Händler verpflichtet
sich, die Tiere im Ganzen abzunehmen. So ist „From
Nose to Tail“ nicht nur eine Metapher, sondern Realität.
Dieses Geschäftsmodell gibt es nicht umsonst. Es wird Geld
und vor allem viel Zeit investiert, denn man benötigt eine extrem
lange Vorlaufzeit, um solch ein Konzept umzusetzen. So muss ein
entsprechender Zerleger organisiert werden. Außerdem benötigt
man einen Produzenten für die Wurst, denn alle Abschnitte
müssen verarbeitet werden, um die Aufzucht ökonomisch realisieren
zu können. Als Absatzunterstützung bietet sich „Story Telling“
an, denn man hat eine fantastische Geschichte, bei der das
Ganzheitliche und das Wohl der Kreatur im Vordergrund steht,
zu erzählen. Überdies schmeckt man die außergewöhnliche Aufzucht
in jeder einzelnen Fleischfaser und vor allen Dingen am
Fett, denn das ist kernig und ein Gaumenschmaus.
Ein Schweineschlachtbetrieb, der die Zeichen der Zeit erkannt
hat, ist Brand Qualitätsfleisch aus Niedersachsen. Das offensiv
nach außen kommunizierende Unternehmen, das auf 12.000 geschlachtete
Schweinen pro Woche kommt, versteht sich als
Schnittstelle zwischen den Landwirten sowie dem Handel, setzt
verstärkt auf Rassen und wird neben dem „Berkshire“ und dem
„bunten Bentheimer“ in Zukunft auch Ibérico und Mangalitza anbieten.
Laut Niko Brand, einem der Geschäftsführer, will man
langfristig 50 Prozent der eigenen Produktion damit abdecken,
weil man an die Zukunftsfähigkeit dieses Nischenmarktes glaubt.
Allerdings hat er festgestellt, dass die Bereitschaft der Landwirte,
alte Schweinerassen zu produzieren, in größerer Form vorhanden
ist als die der Händler, diesen Weg mitzugehen.
Bei einer repräsentativen Umfrage für den „Ernährungsreport
2018“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums gab fast die Hälfte
(47 Prozent) der Befragten an, sie seien „auf jeden Fall“ bereit,
einen höheren Preis für Lebensmittel zu bezahlen, wenn das den
Tieren eine besser Haltung sichere. Weitere 43 Prozent konnten
sich gut vorstellen, dann tiefer in die Tasche zu greifen. Ein höherer
Preis ist aber auch unumgänglich, denn die alten Rassen haben
deutlich höhere Produktionskosten, die sich über den Verkaufspreis
amortisieren müssen. Allerdings ist die Diskrepanz
zwischen den Aussagen und dem Handeln der Verbraucher
enorm: Von den 90 Prozent, die bereit wären, mehr Geld auszugeben,
haben in einem groß angelegten Feldversuch nur 16 Prozent
tatsächlich so gehandelt. Das hat mich zunächst sehr ent-
Als Alternativen zum Mastschwein rücken auch alte deutsche Rassen wie
das „Bunte Bentheimer“ wieder ins Blickfeld.
täuscht, aber dann fiel mir auf, dass 16 Prozent doch eine ganze
Menge sind. Wenn ungefähr jeder siebte Kunde mehr Geld für
dieses Fleisch ausgibt, ist das sicherlich ein lohnendes Geschäftsmodell.
Darüber sollte man einmal nachdenken.
Der Autor
Michael Keller ist Fleischermeister,
Jäger und selbstständiger Fachberater
für französischen Käse, Rindfleisch,
Geflügel und Wein. Der Fachdozent
für Geflügel und Wild, der sich
seit 2017 zertifizierter Fleischsommelier
nennen darf, ist überdies
Teambetreuer des National Teams
Metzger „The German Wolf Pack“
und Jury-Präsident beim Kreativ-
Award-Wettbewerb von Fleisch-
Marketing. www.keller-promotion.de
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4/2019 Fleisch-Marketing 39