Trends & Märkte
sind niemals verloren!“
FLEISCH-MARKETING: Mit welchen Kriterien hat die belgische
Fleischwirtschaft in Deutschland punkten können?
MAILLARD: Als ich meine Karriere in der belgischen Fleischindustrie
begann, war Frankreich unser wichtigster Kunde. Vor 30
Jahren ist Deutschland in diese Rolle geschlüpft und uns bis zum
heutigen Tage als Hauptabsatzmarkt treu geblieben.
So sieht Nachhaltigkeit in der Praxis aus – und zwar in beide Richtungen!
Langjährige Kunden-Lieferanten-Beziehungen können nur
dann funktionieren, wenn sie auf gesunden Fundamenten ruhen
und sich für beide Parteien eine Win-Win-Situation einstellt.
Qualität ist ein typischer Oberbegriff. 13 Definitionen stehen
zur Auswahl. Doch die beste Definition, die Qualität in unserer
Branche umschreibt, hörte ich einst von einem deutschen Professor
in Göttingen: „Qualität ist, wenn die Kunden zurückkommen.”
Quod est. Und das trotz zurzeit sehr aktueller Themen, wie
Bio und Regionalität.
MAILLARD: Ich bin ein absoluter Verfechter des europäischen
Einheitsgedankens. Der erste große Befürworter des europäischen
Gedankens war übrigens Goethe, Ende des 18. Jahrhunderts.
Ehre, wem Ehre gebührt!
Historiker werden später die Periode nach den dunklen und
verheerenden Jahren des Ersten und Zweiten Weltkriegs das
„goldene Zeitalter“ nennen. Die heutigen Generationen leben bereits
seit 75 Jahren in Frieden und Wohlstand. Und das ist einmalig
in der europäischen Geschichte. Das soll nicht heißen, dass
die Europäische Union sich auf ihren Lorbeeren ausruhen soll –
ganz im Gegenteil. Doch sollten wir das Kind nicht mit dem Bade
ausschütten.
Eigentlich sollten wir uns fragen, ob es uns nicht zu gut geht.
Viele unsere Mitbürger sind zu verwöhnten, frustrierten Individualisten
verkommen. Unsere Gesellschaft betreibt zugegebenermaßen
einen maßlosen Konsum. Doch ist das noch lange kein
Grund, um die vitale Agrarökonomie abzuschaffen.
Zur Illustration: Im französischen Bergdörfchen „Le Biot“ im
Département Hochsavoyen hat ein Dutzend gut betuchter Zugezogener
den Kuhglocken den Kampf angesagt. Le Biot ist ein traditionelles
Bergbauerndorf, in dem seit Jahrhunderten Kühe die
Alpen begrasen. Seit jeher tragen die Kühe Glocken zur genauen
Lokalisierung. Diese reichen Eindringlinge haben Anzeige gegen
den Glockenlärm und die auf öffentlichen Wegen hinterlassenen
Kuhfladen erstattet. Sie fühlen sich in ihrer Ruhe gestört, auch
wenn sie nur wenige Wochen des Jahres im Dorf verbringen. Aufgrund
der Anzeige wurden die örtlichen Bauern durch die Polizei
verhört. Dies ist ein typisches Beispiel für das moderne NIMBY
Syndrom: Not in my backyard!
Eine Petition zum Erhalt des Kuhglockengeläuts brachte
190.000 Unterschriften. Klugerweise hat die Gemeinde zugunsten
der Kuhglocken entschieden. Die Moral von der Geschichte:
Hopfen und Malz sind niemals verloren!
„DIE FLEISCHBRANCHE IST
ZUM SPIELBALL DER GESTIEGENEN
GESELLSCHAFTLICHEN
INTOLERANZ GEWORDEN.“
Als Fan und Sponsor des Kreativ-Awards, des Grillwettberwerbs für
Thekenteams, ist Maillard regelmäßiger Besucher des Galaabends im
Neuwieder Food-Hotel. Hier stellt er sich dem Fotografen mit (von links)
Michael Keller (Juryvorsitzender), Koen Vanswijgenhoven und Martina Nober
(beide Belgian Meat Office), Torsten Peters (Van Hees) sowie Michael
Jakobi (Fleisch-Marketing).
FLEISCH-MARKETING: Was sind für Belgien die größten Herausforderungen,
um in Europa, speziell in Deutschland, ein Big Player
zu bleiben?
MAILLARD: Das Nonplusultra ist die soziale Akzeptanz in Belgien,
um die leistungsfähige Produktionskette zu behalten und zu
konsolidieren. Die belgische Fleischwirtschaft hat, sowohl
stromauf- als stromabwärts einen Mehrwert aufzuweisen: Sie
bietet Arbeitsplätze, und das Exportgeschäft fördert unseren
Wohlstand. Ohne den Fleischexport würde die belgische Handelsbilanz
negativ ausfallen.
Als Reaktion auf die Kritik hierzulande bezüglich des deutschen
Fleischexports sagte ein deutscher Freund einst: „Eigentlich
kann man sich aus Umweltgründen auch die Frage stellen, ob
der weltweite Export deutscher Autos und Maschinen wohl erforderlich
ist. Schließlich ist die Herstellung von Autos und Maschinen
reine Umweltverschmutzung.“ Manchen ist Wohlstand
ein überflüssiger Luxus.
FLEISCH-MARKETING: Glauben Sie noch an den europäischen
Einheitsgedanken oder müssen wir uns mehr mit Abschottungen
und nationalen Alleingängen der jeweiligen Länder abfinden?
Wenn sich jetzt schon Italien und Frankreich nicht mehr
grün sind, was wird aus Europa?
4/2019 Fleisch-Marketing 11