WER NUR JAMMERT
Teil
2
… und wer wagt, gewinnt!
Die Metzgerei Meyer aus Nürnberg
macht es vor.
WIRD IGNORIERT…
ENGPASS
MITARBEITER
Anmaßend, überheblich, völlig daneben.“
– „Auf den Punkt. Genau darum geht’s.
Ihr habt so recht.“ Die Meinungen zu
unserem Artikel („Wer nur jammert, wird ig-noriert“,
Ausgabe 5/2018, S. 48) gingen weit
auseinander. Mancher fühlte sich persönlich an-gegriffen.
Andere wurden durch unsere provo-katives
Augenzwinkern wachgerüttelt. Deshalb
lassen wir nun diejenigen zu Wort kommen,
über die wir sprechen: die Mitarbeiter.
Die Nürnberger Familienmetzgerei Meyer be-grüßte
2018 fünf neue Auszubildende. Der ge-nerelle
Mitarbeiter- bzw. Fachkräftemangel war
auch hier ein Thema. Doch mit Zeitgeist, moder-nisierten
Arbeitsmitteln und Strukturen sowie
der „gesunden Portion Selbstironie“ gelang es
den Meyers, ihren Engpass zu überwinden. Wir
fragten drei Mitarbeiter, warum sie sich diese
Metzgerei als Arbeitsplatz ausgesucht (!) haben.
Herlinde Gehling (56), Fleischerei-Fachverkäuferin
– seit 2013 im Betrieb
„Ich bin seit 40 Jahren Fleischerei-Fachverkäu-ferin
– und das total gerne. Ein anderer Beruf
wäre nie infrage gekommen. Der Grund, warum
ich mich nach vielen Jahren nochmal zu einem
Metzgereiwechsel entschieden habe, war zum
einen die Neugierde auf Veränderung, und zum
anderen, dass ich gemerkt habe: Hier werde
ich
wahrgenommen. Als individueller Charakter,
als wertvolle Mitarbeiterin und jemand, dessen
Meinung ebenso wichtig ist wie die der Chef-etage.
Ich darf mich einbringen, Impulse und
Ideen werden demokratisch besprochen am
Tollsten ist es, wenn sie dann umgesetzt wer-den.
Es wurden Freiräume geschaffen, die nicht
in jeder Metzgerei an der Tagesordnung sind:
Etwa am Montag ab 14 Uhr Feierabend ha-ben.
Überstunden oder Doppelschichten gibt
es hier nicht. Wenn wir mehr Zeit miteinander
verbringen „sollen“, lädt der Chef stattdessen
mal zum Essen ein. Hier arbeiten alle verzahnt
miteinander statt gegeneinander. Wird mal ein
Kind krank, springen wir freiwillig für die Kolle-gin
ein. Zusammenhalt und Loyalität sind genau
durch diese Freiheiten und das Vertrauen in uns
erst gewachsen. Alles findet unter einem Dach
statt – auf Augenhöhe. Klar gibt es auch mal
Reibereien. Das ist in jeder Familie so. Nichts
anderes ist das hier – eine Familie.“
Ricky Brandscher (17), Metzgerlehrling –
seit 2018 im Betrieb
„Eigentlich wollte ich Koch werden. Als Metz-ger
kann ich das auch machen: kochen. Das
wissen nur viele nicht, weil immer alle glau-ben,
hier gäbe es nur Blut und Gemetzel. Dabei
ist das nicht mehr so wie früher. Auf die Meyers
bin ich über meine Berufsberaterin gestoßen.
Die hat mir eine Anzeige von ihnen gezeigt. Die
fand ich gleich cool und hab dann beim Georg,
dem Juniorchef, zur Probe gearbeitet. Mir gefällt
alles hier und ich will auf jeden Fall nach meiner
Ausbildung hier bleiben. Meine Ex-Mitschüler
haben immer noch ein völlig falsches Bild von
dem Beruf. Das liegt auch daran, dass keiner
richtig darüber aufklärt. Der Georg besucht
auch Schulen und spricht mit den Schülern.
Das sollte man viel mehr machen. Mit uns, statt
immer nur über uns zu sprechen.“
Felix Meyer (25), Metzgerlehrling –
seit 2018 im Betrieb
„Ich habe Innenarchitektur studiert und in
dem Beruf sogar eine Zeit lang gearbeitet.
Weil ich den Geruch von Opas Wurstküche in
guter Erinnerung habe, haben mich die schö-nen
Kindheitserinnerungen wohl irgendwie
getriggert und bei meiner Entscheidung für
einen Neuanfang beeinflusst. Als ich im April
nach Nürnberg zog, dachte ich erst, es ist zu
spät, noch eine Ausbildungsstelle als Metzger
zu finden. Die Metzgerei Meyer ist breit aufge-stellt,
was ihr Marketing betrifft. Die konnte ich
gar nicht übersehen. Facebook, Instagram, Print-
medien – überall kommen sie modern rüber. Als
ich zum Probearbeiten kam, waren wir sofort per
Du, der Georg und ich. Wir sind auch fast gleich
alt. Er geht mit allen so um. Auf Augenhöhe,
ehrlich und direkt. Sowas schätze ich sehr.“
Derzeit findet bei der Metzgerei Meyer ein
Generationswechsel statt. Vieles befindet sich
im Umbruch. Zum Schluss der aufschluss-
reichen Gespräche verriet uns Gabi Meyer:
„Dass wir so viele tolle Mitarbeiter haben, da-ran
ist maßgeblich unser Sohn Georg Schuld.
Der weiß einfach, was heute gefragt ist.“
Nadine Zwingel, Böhm media;
www.boehm.media, www. metzgerei-meyer.de
Foto: Metzgerei Meyer
MITARBEITERFÜHRUNG
6/2018 31