Trends & Märkte
tens etablierte Marke für fleischlose Produkte zu öffnen. Erst damit
sind Fleischsubstitute im Mainstream der Konsumenten angekommen.
Schwer vorstellbar, dass so etwas unter einer Handelsmarke
hätte gelingen können. Auch wenn ein paar Hersteller sich gerade
mit den Wachstumsperspektiven dieses Segments verschätzt haben,
sieht es danach aus, als könnte die Weiterentwicklung der Fleischalternativen
auch in den nächsten Jahren das Spielfeld für Rügenwalder,
PHW und andere bleiben. Handelsmarken haben hier
vor allem Perspektiven bei warengruppen-übergreifenden Vegan-
Konzepten, in denen Veganz heute noch relativ allein ist.
Bei Feinkost ist der Handelsmarkenanteil 2017 um 0,8 auf 39,0 Prozent
gestiegen, getrieben vor allem durch aktive Sortimentspolitik
der Discounter. Hier zeigt sich, dass auf Industrieseite der Mix aus
großen, etablierten Marken wie Homann oder Nadler und einem
Strauß innovativer Spezialisten-Marken dem Konsumenten durchaus
etwas zu bieten hat. Die hier stattfindende Konzentration der
Lieferanten wird eher zum Kategorie-Wachstum als zu einer Verschiebung
der Markenanteile beitragen.
Fleisch-Marketing: Nahezu die Hälfte der deutschen Konsumenten
erkennt nach Ihrer Studie keinen Qualitätsunterschied zwischen
Eigenmarken des Handels und Markenartikeln. Wie ist es in diesem
Zusammenhang zu erklären, dass gerade die Discounter verstärkt
auf Markenartikel setzen?
Bei Fleisch- und Wurstwaren spielen die Marken der Fleischwerke des Handels
– beispielsweise Feuer & Flamme von Franken-Gut – eine große Rolle.
Bei Wurstwaren finden sich – von wenigen Ausnahmen wie Rügenwalder
abgesehen – vorwiegend sogenannte hybride Anbieter, die
sowohl unter eigenen Marken als auch mit Handelsmarken aktiv
sind, wobei meist das Handelsmarkengeschäft dominiert. Im Vergleich
zu anderen Warengruppen wie Milchfrischprodukte oder Cerealien
sehen wir in der Wurst noch stärkere Gestaltungspotentiale
für hoch entwickelte Handelsmarken-Lieferanten. Vielleicht bremst
hier auch die „interne“ Wettbewerbssituation mit den Fleischwerken
des Handels.
Bei den Fleischalternativen hat sich Landhof im deutschen LEH vor
allem als innovativer Handelsmarkenlieferant etabliert – anders als
im österreichischen Heimatmarkt. Auch diverse Soja-Verarbeiter
bedienen den LEH gut. Veggie-Marken einzelner Händler, die für
Wurstwaren und Snack-Alternativen zum Einsatz kommen, können
das Vertrauen der Konsumenten stützen. Den Zugang zum Segment
finden viele Konsumenten aber erst über markengetriebene Konzepte
von Rügenwalder, Gourmet-Garden und anderen Herstellern.
Fleisch-Marketing: 91 Prozent der befragten Manager
nennen „Qualität“ als wichtigsten Faktor, durch den sich Handelsmarken
Lieferanten in Zukunft beim LEH profilieren können.
Bedeutet das im Umkehrschluss, dass bei Handelsmarken in
Sachen Qualität noch Nachholbedarf besteht?
Dr. Motyka: Man kann nicht pauschal sagen, dass Handelsmarken
gegenüber Industriemarken in vergleichbaren Segmenten qualitativ
im Rückstand sind, wie auch gerade eine aktuelle Auswertung
der Stiftung Warentest aus ihren Untersuchungen der letzten sieben
Jahre belegt. Und wer sich einmal mit Aldi-Lieferanten der verschiedenen
Warengruppen unterhalten hat, weiß, wie hoch bei vielen
Herstellern die interne Benchmark für Qualität liegt.
Bei der Einschätzung, dass der Faktor „Qualität“ an Bedeutung gewinnt,
geht es vielmehr um die Tatsache, dass im Wettbewerb der
Händler um immer günstigere Einstandspreise in den allermeisten
Kategorien die Luft raus ist. Dennoch werden die Händler bei der
Qualität im Preiseinstieg keine Kompromisse machen. Der eigentliche
Zuwachs an Qualität liegt dann aber über alle Sortimente hinweg
bei der Weiterentwicklung in Richtung Mehrwert-Handelsmarken
und – punktuell – Premium-Handelsmarken.
„Bei Wurstware n finden
sich vorw iegend Sogenannte
hybr ide Anbieter“
Dr. Motyka: Um Missverständnisse zu vermeiden: Die marktführenden
Discounter Aldi und Lidl haben strategisch eine klare Priorität
für ihre Handelsmarken gesetzt. Die Aufschaltung von Markenartikeln
bei Aldi zur Gewinnung jüngerer und besonders
kaufkräftiger Shopper-Gruppen war ebenso ein taktischer Schachzug
wie die jahrelange aggressive „Aktionitis“ von Lidl mit prominenten
Markenartikeln. Beides hat die gewünschten Effekte gebracht,
ist aber aktuell zu einem gewissen Stillstand gekommen.
Gerade weil aber nun alle dieselben Marken-Eckartikel und dieselben
Handelsmarken-Preiseinstiegsartikel im Sortiment haben, ist
es für die Händler von entscheidender Bedeutung, zur Profilierung
und Ertragsstärkung Sortimente zu führen, die sie exklusiv haben
und bei denen sie nicht in unmittelbarer Vergleichbarkeit und im
direkten Preiswettbewerb stehen. Dies können individuelle Mehrwert
Handelsmarkenkonzepte leisten, nach denen alle Händler
derzeit händeringend suchen.
Fleisch-Marketing: Gilt das auch für Fleisch, Wurst,
Feinkost und Fleischersatzprodukte?
Dr. Motyka: Die Entwicklung der Eigenmarkenanteile je Kategorie
hängt nicht zuletzt davon ab, ob sich leistungsfähige Lieferanten die
Entwicklung der Warengruppe vornehmen. Dies ist bei Fleischwaren
vor allem dort zu beobachten, wo es besondere Spielräume für
innovative Produktkonzepte gibt – beispielsweise bei Convenience-
Produkten wie Finger-Food oder fleischbasierten Snacks, wo Frostkrone
oder Abbelen starke Signale setzen.
9/2018 Fleisch-Marketing 19