Das ganze
Tier nutzen
Service & Bedienung
Fergus Henderson beeinflusste mit seinem Kochbuch „Nose to Tail“ nicht nur viele Köche, sondern auch die
Konsumenten. Seine Philosophie, von der Schnauze bis zur Schwanzspitze möglichst alles vom Tier zu verwenden,
wird immer populärer. Fleischsommelier Michael Keller zeigt, was man – interessant angeboten –
alles in die Theke legen kann, weil es bei Schweinen und Rindern viel mehr Edelteile gibt, als man denkt.
Schulterteilstücke vom Rind eignen sich, richtig zugeschnitten und passend
abgereift, hervorragend zum Kurzbraten – beispielsweise das „Flat Iron“.
Auf die Frage nach den gefragten Edelteilen der Tiere, hört
man immer wieder die Antworten: „Filet, Rumpsteak, Kotelett,
Schinken und Hüfte, Brust und Keule beim Geflügel. Der
Respekt vor dem Tier, das zur Fleischgewinnung getötet werden
muss, gebietet es allerdings, möglichst das ganze Tier zu verarbeiten.
Es hat schließlich sein Leben für uns gegeben.
Derzeit stellt man fest, dass sich viele Kunden mit dem Thema
„Nose to Tail“ auseinandersetzen, und dieser Entwicklung sollten
wir Rechnung tragen. In der – gar nicht so entfernten – Vergangenheit
wurde grundsätzlich das ganze Tier genutzt, deshalb gibt es beispielsweise
auch Blut- oder Grützwurst oder im Rheinischen Panhas
mit Buchweizenmehl. Schweine-Pfötchen und -Schwänzchen wurden
in Brühe gekocht, weiterverarbeitet oder im Eintopf als Einlage
angeboten.
Steaks aus dem Vorderviertel
Natürlich haben sich die Verzehrgewohnheiten geändert und heute
müsste es vermutlich anders zubereitet werden. Es gibt eine
neue Garmethode, bei der man zum Beispiel ein Kalbsherz, also
einen Muskel, trotz des ausgiebigen Bindegewebes so hinbekommt,
als wenn es ein Rehrücken wäre. Sous vide heißt das Verfahren,
bei dem im Vakuum mit Aromaten im Wasserbad bei einer
bestimmten Temperatur so vorgegart wird, dass man es nur noch
nachgrillen oder -braten muss. Beim Beispiel des Kalbsherzens
sind das zehn Stunden bei 54 Grad Celsius. Wenn es dann ausgepackt
und nachgegrillt sowie mit Fleur de Sel nachgewürzt wird,
hat man ein Steak der besonderen Art.
Aber nicht nur Innereien sollten beachtet werden. Da ein Trend
zum Kurzbraten und Grillen festzustellen ist, kann man auch Steaks
aus dem Vorderviertel herausschneiden. Es gibt dort sehr viele Muskelpartien,
die bisher in anderer Form verarbeitet und angeboten
wurden. Dazu gehört beispielsweise der Muskel auf der Schulterschaufel.
Beim Schwein hat ihn der Karlsruher Metzger Heiko Brath
„Cuscino“, also Kissen, getauft. Der Name hat sich ebenso durchgesetzt
wie dieses besonders fein gefasertes Stück Fleisch. Es ist außergewöhnlich
zart und bietet einen hervorragenden Geschmack. Gefüllt
mit einer Pistazien-Pesto ist „Cuscino“ auf dem Grill eine
Offenbarung.
Geschmackvolle Querrippe vom Rind
Beim Rind heißt dieses Teilstück „Vegas Strip Steak“. Die englische
Bezeichnung geht auf den Fleischexperten Tony Mata zurück. Er hatte
erkannt, dass sich das Teilstück hervorragend zum Kurzbraten
eignet und geschmacklich an das New York Strip Steak erinnert.
Schulterteilstücke vom Rind sind – richtig zugeschnitten und passend
abgereift – perfekt zum Kurzbraten geeignet. Dazu zählt auch
das Schaufelstück. Wenn die Unter- und die Knochenhaut sowie die
Mittelsehne entfernt wird, erhält man zwei gleichmäßige Steakteile.
Sie sind fein gefasert sind, verfügen über einen individuellen Geschmack
und haben darüber hinaus einen zarten Biss. Der Name –
wie die meisten New Cuts in Englisch – „Flat Iron“. Ein weiteres Beispiel
aus der Rinderschulter ist das sogenannte „Teres Mayor“. Das
ist ein Muskel, der oberhalb des dicken Bugstücks zum Blatt hin sitzt
und sich ebenfalls hervorragend zum Kurzbraten eignet.
Schweine, Rinder, Kalbs- oder Ochsenbäckchen haben – sanft geschmort
in Rotwein oder Brühe – nicht nur den Weg in die gehobene
Gastronomie gefunden, sondern darüber hinaus auch zum Kunden.
Neu interpretierte Klassiker bieten sich an, um Teile des ganzen Tieres
attraktiv und kalkulatorisch interessant zu vermarkten. Die
Querrippe vom Rind ist exzellentes Suppenfleisch und sehr geschmackvoll.
Im Sommer wird sie in dieser Funktion allerdings nicht
unbedingt nachgefragt, aber als Short Ribs. Im Vorfeld sollten die
Short Ribs gerubt, also gewürzt, und mindestens zwölf Stunden ma-
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