SUPERMARKT DER ZUKUNFT • SCHWERPUNKT
Die fortschreitende Digitali-
sierung macht sich im Lebens-
mittelhandel verstärkt bemerkbar.
So steht auch der bislang als
Werbemittel unverzichtbar geltende
Handzettel auf dem Prüfstand
– zumindest bei Rewe.
Gedruckte Handzettel und Prospekte
gehören zu den am häufigsten eingesetzten
Werbemitteln in Deutschland.
Experten gehen davon aus, dass mehr
als 28 Milliarden davon Jahr für Jahr ungefragt
in die Briefkästen der Konsumenten
geworfen werden. Obwohl Umweltschützer
schon länger die Unmengen unnötigen Abfalls,
die vergeudeten Ressourcen und die
Foto: Rewe
verheerende Klimabilanz kritisieren, galt
das Medium bis vor kurzem als unverzicht-
Digitale Handzettel
Die Nutzung digitaler Kanäle im Lebensmitteleinzelhandel nimmt zu – nicht nur beim Lieferservice.
Mittlerweile ist der Lebensmitteleinzelhändler
einen weiteren Schritt bei der Digitalisierung
der Angebote gegangen: Die
Kunden können sich nun den Handzettel
ihres favorisierten Rewe-Marktes bequem
auf das Handy schicken lassen – jeden Sonntag
per Whatsapp. Man habe diesen Dienst
gewählt, weil er in Deutschland beliebt und
in vielen Zielgruppen bekannt sei, hieß es
zur Begründung. Überdies habe ein Test im
Vorfeld des bundesweiten Starts gezeigt,
dass ein digitaler Handzettel per Whatsapp
auf großes Interesse stößt.
Zwei gegenläufige Trends
Eine repräsentative Umfrage der Strategieberatung
Oliver Wyman zeigt allerdings,
dass der Handzettel für Konsumenten hierzulande
noch weiter Relevanz besitzt. Denn
60 Prozent der Befragten blättern heute
mindestens einmal pro Woche in den bunten
Werbeblättern, weitere 15 Prozent tun
dies zumindest alle paar Monate. Vor allem
Aktionspreise für Lebensmittel stehen im
Fokus des Interesses und locken in die Läden.
Neben älteren Verbrauchern studiert
die preissensible Kundschaft die gedruckten
Wegweiser zu Sonderangeboten besonders
intensiv. Das größte Interesse an den
Handzetteln besteht laut Studie, wenn Lebensmittel
und Getränke beworben werden.
„Angesichts der gegenwärtigen Infla-
tion erhalten Aktionspreise eine noch größere
Bedeutung“, sagt Rainer Münch, Partner
bei Oliver Wyman.
Die Studie offenbart auch zwei gegenläufige
Trends auf Kundenseite: Ungebrochene
Schnäppchenlust und wachsendes Umweltbewusstsein
geraten in Konflikt. Mehr
als 50 Prozent der Lebensmittelkäufer attestieren
den Handzetteln einen starken
Einfluss darauf, wo und was sie einkaufen.
Auf der anderen Seite steht der Wunsch
nach Eindämmung der Papierflut: So haben
immerhin knapp ein Viertel der Befragten,
die zumindest gelegentlich in einen Handzettel
schauen, eigentlich ein Werbeverbotsschild
am Briefkasten installiert.
bar in der Angebotskommunikation – insbesondere
des Lebensmittelhandels.
Doch nachdem die Baumarkt-Handelskette
Obi im Sommer mit der Meldung, von gedruckten
Werbeprospekten Abstand nehmen
zu wollen, für Aufsehen gesorgt hatte,
zog Rewe nach. Der Lebensmittelhändler gab
bekannt, ab Mitte kommenden Jahres auf die
millionenfach an Haushalte verteilten Prospekte
und Papier-Handzettel für seine Supermärkte
verzichten zu wollen. Die Umstellung
spare mehr als 73.000 Tonnen Papier,
70.000 Tonnen CO2, 1,1 Millionen Tonnen
Wasser und 380 Millionen Kilowattstunden
Energie pro Jahr, hieß es zur Erklärung. Wie
Clemens Bauer, Marketingchef bei Rewe, im
Interview mit dem EHI Retail Institut erklärte
handele es sich allerdings nicht um ein
„Kosteneinsparungsprojekt“. Man reinvestiere
das Budget vollständig in einen neuen Mediamix
und teilweise auch in den Klimafonds
des Naturschutzbundes Deutschland. „Aber
wir schaffen einen Monolithen im Budget ab“,
erklärte Bauer.
10/2022 Fleisch-Marketing 21