Unternehmen & Konzepte
Die Pandemie hat den
Wunsch der Kunden
nach regionalen Lebensmitteln
und Angeboten
mit „Lokalkolorit“ be-
flügelt. Davon konnten
viele Metzger profitieren.
Ihre Erfolgsstrategien
können sich die Bedienungstheken
des Handels
zunutze machen.
Die „Alte Wurst“, eine legendäre Spezia-
lität aus Nordhessen, wird ausschließlich
aus Schweinefleisch hergestellt, das
noch schlachtwarm verarbeitet wird.
Foto: G. Schneider-Rose
Spezialitäten mit „Lokalkolorit“
Fleisch- und Wursttheken sind nicht nur
wird nach Art einer Brühwurst in einem
Schweinemagen oder in Därmen mit großem
Durchmesser gegart und zum Braten in fingerdicke
Scheiben geschnitten.
Die Thüringer Rostbratwurst ist eine regionale
Spezialität aus dem namengebenden
Bundesland. Laut EU-Verordnung ist sie eine
mindestens 15 Zentimeter lange, mittelfeine
Bratwurst im engen Naturdarm, roh – zum
alsbaldigen Verzehr – oder gebrüht, mit würziger
Geschmacksnote. Seit dem 6. Januar
2004 ist sie eine geschützte geografische Angabe.
Als echt gilt sie nur, wenn sie 100 bis
150 Gramm schwer ist. Die Thüringer Rostbratwurst,
der sogar ein eigenes Museum gewidmet
ist, genießt bundesweit fast
Kultstatus und darf bei keinem Volksfest
fehlen.
Mettwurst mit langer Reifezeit
Ein besonders populäres Produkt ist die
Münchner Weißwurst – insbesondere zu
Zeiten des Oktoberfestes. Laut Wikipedia
wurde die Weißwurst eher zufällig erfunden
– als „Fehlfabrikat“. Damals wie heute werden
Weißwürste in Schweinedärme gefüllt. Mit
Einführung moderner Kühltechnik dürfen
Weißwürste auch das „Mittagsleuten hören“,
also mit gutem Gewissen über den ganzen
Tag verkauft werden.
Seit fast 100 Jahren ist „Ahrbergs Bouillonwurst“
in Hannover eine, die allerdings in
Vergessenheit zu geraten droht. Bei der
Herstellung wird Fleischbrühe zum Brät
gegeben, was der Wurst ihren besonderen
Geschmack verleiht. Dazu kommt ein Hauch
von Sellerie und anderem Gemüse. Der
Eichsfelder Feldgieker genießt schon seit
2013 den EU-Schutz „Geschützte geografische
Angabe“. Die Mettwurstspezialität, eine grob
gekörnte schnittfeste Rohwurst, zeichnet sich
durch die lange Reifezeit von über einem Jahr
aus. Nach traditionellen Rezepturen wird das
Brät noch schlachtwarm in eine handgenähte
Wursthülle vom Schwein gefüllt.
Eine rheinische Spezialität ist die Flönz, die
insbesondere beim Kölner Gericht „Himmel
und Ääd“ (Himmel und Erde) zum Einsatz
kommt. Dabei wird die einfache, schwach geräucherte
Blutwurst in Scheiben auf Apfelkompott
und Kartoffelpüree serviert. Seit
2016 ist die Flönz als geschützte Herkunftsbezeichnung
bei der Europäischen Kommission
registriert. Die Aalrauchmettwurst ist
eine feine oder grobe geräucherte und
streichfähige Rohwurst aus Schweinefleisch,
die vor allem in Norddeutschland populär ist.
Früher wurde die Wurst zusammen mit Aalen
in der Räucherkammer mit einem althergebrachten
Räucherverfahren geräuchert.
Visitenkarten des Lebensmittel-Einzelhandels.
Sie sind auch äußerst lukrativ
und zählen zu den ertragsstärksten Warengruppen.
Eine gut geführte Fleischtheke sei
eine exzellente Möglichkeit, sich vom Mitbewerber
zu differenzieren, heißt es dazu im
aktuellen EHI Laden-Monitor. Weiter weist
die Studie aus: Der Anteil an der Wertschöpfung
ist hier in der Regel deutlich höher als
der Anteil am Umsatz.
Viele Metzger pflegen bewusst ein regionales
Wurst-Sortiment, oft sogar ergänzt mit eigenen
Rezepturen. So setzt man sich bewusst
vom Standardangebot ab und ist zudem mangels
Vergleichbarkeit freier in der Preisgestaltung.
Ein besonderes Augenmerk gilt dabei
dem „Storytelling“ und der handwerklichen
Qualität, die sich beispielsweise in der Verwendung
hochwertiger Naturdärme zeigt.
Dieses Konzept verspricht auch im Handel
kraftvolle Impulse und mehr Marge.
Es stellt sich die allerdings die Frage, welche
Spezialitäten sich in diesem Zusammenhang
besonders anbieten. Dazu zählt sicherlich
der Pfälzer Saumagen, der als Leibgericht
von Langzeit-Bundeskanzler Helmut Kohl zu
dessen Amtszeit internationale Berühmtheit
erlangte. Dabei handelt es sich um ein Gericht
aus Schweinefleisch, Brät und Kartoffeln. Es
30 8/2020 Fleisch-Marketing