SERVICE & BEDIENUNG
Es kann sich lohnen, für die Zielgruppe der Vegetarier und Veganer eigene
Thekenbereiche mit entsprechenden Artikeln zu gestalten.
fleisch-Ersatz am Markt. Für Veganer und Vegetarier sind solche Produkte
nicht besonders interessant, denn sie „kochen mehr selbst“, wie
die Marktforscherin Dr. Beate Gebhardt von der Universität Hohenheim
festgestellt hat. „Deswegen ist das Potenzial bei den Flexitariern
wesentlich höher“, erklärt sie.
Eine wichtige Frage bei der Behandlung des Themas ist die nach
dem Inhalt der Ersatzprodukte. Natürlich spielen in erster Linie Eiweißträger
wie Soja oder Erbsenprotein eine Rolle, aber auch Hühnereiweiß,
Pilze als Geschmacksträger sowie Getreideprodukte werden
genutzt. Ein großes Manko ist immer noch der notwendige
Einsatz von Zusatzstoffen mit den entsprechenden E-Nummern, die
nötig sind, um möglichst nah an die originalen Produkte aus Fleisch
heranzukommen.
Selbstproduzierte vegetarische Kreationen
Es ist umstritten, dass man von vegetarischem Hackfleisch oder veganer
Wurst spricht, auch wenn kein Gramm Fleisch enthalten ist, aber
die Europäische Union hat die Namensgebung in dieser Form zugelassen.
So findet man diese Artikel neben den „originären“ Marken in den
Selbstbedienungs-Kühltheken des Handels.
Es gibt auch Kollegen, die selbstproduzierte vegetarische Kreationen
anbieten und sie teilweise in der Fleischtheke integrieren. Das ist
besonders bei Grillprodukten sinnvoll, denn oft werden Fleischartikel
für das Barbecue eingekauft, aber Tochter, Sohn, Tante, Onkel oder andere
Gäste ernähren sich fleischfrei. So wird den Kunden die Möglichkeit
geboten, alle Grillartikel in einem Kaufvorgang auszuwählen.
Da reine Vegetarier und Veganer ihre Artikel in der Regel nicht an
der Fleisch- oder Wursttheke suchen, kann es sich lohnen, für diese
Zielgruppe eigene Thekenbereiche zu gestalten und so ein umfangreiches
Sortiment anzubieten. Um erfolgreich zu sein, ist es allerdings
erforderlich, dass – wie an der Fleisch- und Wursttheke – hervorragend
geschultes Personal hinter dem Tresen bedient. Die Fachkräfte
müssen hinter dem Sortiment stehen und die Produkte auch selbst
mögen.
Die Experten sind sich einig, dass der Fleischverzehr in Deutschland
weiter sinken wird. Das zeigt sich auch darin, dass einige Betriebs
oder Universitätskantinen vermehrt fleischfreie Gerichte anbieten.
Ein prominentes Beispiel ist die VW-Kantine, die auf
Insbesondere in der Grilltheke ist es sinnvoll, vegetarische Kreationen zu integrieren,
denn für das Barbecue werden oft fleischfreie Produkte verlangt.
Currywurst verzichten will und sich dafür mit der harschen Kritik des
ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder konfrontiert sah. Auch
die Berliner Humboldt Universität gab vor kurzem bekannt, dass
Fleisch und Fisch künftig nur noch vier Prozent des Speiseplans ausmachen
werden. Bereits seit fast zehn Jahren wird in den großen Berliner
Universitätsmensen täglich ein veganes – sogenanntes Klimaessen
– aus frischen, saisonalen Hauptzutaten serviert. Dieses zeichnet
sich durch einen besonders geringen CO2-Fußabdruck aus.
Man kann die Augen nicht davor verschließen, dass der Trend zu
bewusster Ernährung „Lifestyle“ ist und Fleischersatzprodukte gesellschaftsfähig
geworden sind. Dem sollte man in seinem Sortiment
Rechnung tragen. Einerseits ist es natürlich möglich, über höherwertigerem
ethisch produziertem Fleisch und den dadurch notwendig
höheren Preisen eine passende Wertschöpfung zu forcieren. Auf der
anderen Seite sollte man die Gesellschaft ganzheitlich betrachten und
Ersatzprodukte in seine Thekensortimente integrieren, um alle Kunden
anzusprechen.
Wie man vorgeht, um vegetarische Fleischalternativen erfolgreich
anzubieten, ist stark standort-abhängig. Es gibt kein Patentrezept.
Deshalb sollte man sich nicht scheuen, etwas ausprobieren, um die
richtigen Entscheidungen zu finden. Seien Sie offen für Neuerungen –
Handel ist Wandel.
Der Autor
Michael Keller ist Fleischermeister,
Jäger und selbstständiger Fachberater
für französischen Käse, Rindfleisch,
Geflügel und Wein. Der Fachdozent
für Geflügel und Wild, der sich
seit 2017 zertifizierter Fleischsommelier
nennen darf, ist überdies
Teambetreuer des National Teams
Metzger „The German Wolf Pack“
und Jury-Präsident beim Kreativ-
Award-Wettbewerb von Fleisch-
Marketing. www.keller-promotion.de
10/2021 Fleisch-Marketing 37