Trends & Märkte
nicht übereinander reden“
lich die gleichen Bedingungen herrschen,
gibt es Zusatzchecklisten, Anpassungen und
Zusatzerklärungen. Damit schaffen wir nicht
nur gleichartige Bedingungen, sondern auch
Warenverfügbarkeit mit zuverlässiger Prozessqualität
auf gleichem Qualitätsniveau.
FLEISCH-MARKETING: Ein Thema, das
stetig an Bedeutung gewinnt, ist Tierwohl.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung?
DR. NIENHOFF: Ich bin überzeugt, dass wir
mit der Initiative Tierwohl einen wichtigen,
sinnvollen Weg gegangen sind. Da ist in den
letzten sechs Jahren viel Geld aus dem Lebensmitteleinzelhandel
in die Landwirtschaft
geflossen. Wir kommen Schritt für
Schritt voran und drehen die Schräubchen
weiter. Auf der anderen Seite gibt es die
staatlichen Bestrebungen. Aber ich habe die
klare Auffassung, dass wir kein staatliches
Tierwohllabel brauchen, und glaube, dass
es auch nicht kommen wird. Denn so wie es
angelegt ist, ist es völlig überbürokratisiert.
Außerdem sind die staatlichen Regelungen
und Verordnungen so starr, dass sie einer
dynamischen Gesellschaft und Wirtschaftswelt
nicht gerecht werden.
FLEISCH-MARKETING: Glauben Sie,
dass der Verbraucher auch bereit ist,
für das Tierwohl zu zahlen?
DR. NIENHOFF: 95 Prozent der Verbraucher
kaufen nach Preis, Geschmack, Aussehen
und Erfahrung mit den Produkten. Aber es
gibt die kritischen Meinungsmacher und
Medien sowie Umfragen, deren Ergebnisse
im krassen Gegenteil zum tatsächlichen Einkaufsverhalten
stehen. Die Bereitschaft, einen
Das QS-Prüfzeichen steht
für stufenübergreifende
Qualitätssicherung. Es ist
präsent und anerkannt
– vor allem bei Fleisch
und Fleischwaren.
deutlich höheren Preis für Tierwohl-
Produkte zu zahlen, ist beim Großteil der
Verbraucher nicht vorhanden. Aber ich glaube,
dass der Handel schrittweise daran arbeiten
wird, das Niveau anzuheben. Die Initiative
Tierwohl macht auch deshalb so viel
Sinn, weil Landwirtschaft, LEH und Fleischwirtschaft
gemeinsam die Haltungsstufe anheben
– abgestimmt und finanziert. Allerdings
müssen wir auch im Auge behalten,
wie sich die finanzielle Situation der Gesellschaft
nach Corona entwickelt. Darüber hinaus
habe ich große Sorgen, dass es nicht nur
in Richtung Tierwohl geht, sondern, dass die
pflanzenbasierten Fleischalternativen zukünftig
stärker den Konsum beeinflussen.
Und dort wird der Preisabstand zu Tierwohl-
Produkten erheblich sein.
FLEISCH-MARKETING: Wie sehen Sie
die Stellung von QS in der Zukunft?
DR. NIENHOFF: Ich erwarte, dass QS sich
stetig weiterentwickelt; bin mir allerdings
nicht sicher, ob neben den zwei Systemketten
– Fleisch und Fleischwaren sowie Obst
und Gemüse – noch viele weitere Produktbereiche
im QS-System anzusiedeln sind.
Milch ist natürlich ein Thema, aber auch
Fleischersatzprodukte stehen im Fokus.
Hierzu führen wir gerade erste Gespräche.
Ein anderes Angebot, das wir schaffen wollen,
sind freiwillige Zusatzmodule – beispielsweise
in Richtung Nachhaltigkeit. Da
sehe ich Entwicklungsmöglichkeiten für QS.
Wichtig ist aber vor allem, weiter die offene
Plattform zu bieten und das Vertrauen aller
Beteiligten in der Kette zu genießen.
FLEISCH-MARKETING: Sie wechseln
Ende April nicht in den Ruhestand, sondern
übernehmen die Leitung der „Zentrale
Koordination Handel-Landwirtschaft“.
Welche Aufgabe erwartet Sie?
DR. NIENHOFF: Wir sind gerade dabei, die
Zentrale Koordination auf den Weg zu bringen.
Die Gründungsmitglieder des eingetragenen
Vereins sind der Handelsverband
HDE, der deutsche Bauernverband und der
deutsche Raiffeisenverband. Wir wollen
eine Plattform schaffen, die das gegenseitige
Verständnis fördert, aber auch Anlaufstelle
ist, um kritische Situationen oder
Konflikte gemeinsam zu lösen. Wir wollen
Brückenbauer und Verbindungsglied sein
und erreichen, dass Handel und Landwirtschaft
miteinander und nicht übereinander
reden.
Neben Fleisch
und Fleischwaren
sind auch Obst
und Gemüse im
QS-System an-
gesiedelt
5/2021 Fleisch-Marketing 11