„Miteinander und nicht Foto: Thekla Ehling
Dr. Hermann-Josef Nienhoff ist fest davon überzeugt,
dass wirtschaftsgetragene Kontrollorganisationen
besser reagieren können als staatliche
Stellen.
Trends & Märkte
den Vorteil, dass wir den Konsumentenmarkt
haben und dass der Wunsch, nach
Deutschland zu exportieren, groß ist. Deshalb
können wir auch international Standards
setzen. Wir können sagen: Wenn ihr
nach Deutschland ins QS-System liefern
wollt, dann müssen wir gleichwertige Bedingungen
haben. Es ist aber auch klar, dass
das in einzelnen Ländern nicht eins-zu-eins
übertragbar ist. Teilweise herrschen dort
andere Verordnungen und Gesetze – beispielsweise
bei der Ferkelkastration. In
Deutschland ist bei der Betäubung nur Isofluran
zugelassen, während es in Nachbarländern
nicht zugelassen ist. Wenn man jetzt
auf diese Betäubungsart bestehen würde,
könnten Unternehmen aus dem Ausland
nicht mehr liefern. Da mussten wir hart
kämpfen, um einen vernünftigen Kompromiss
zu finden. Unser Ziel ist es immer, ein
„one level playing field“ zu finden und Doppel
Audits, Doppel-Kontrollen und Doppel-
Aufwand zu vermeiden.
Wir haben heute mit 16 anderen Standards
bilaterale Vereinbarungen. Damit grundsätz-
Auf eine fast zwanzigjährige Tätigkeit als Geschäftsführer bei
QS Qualität und Sicherheit blickt Dr. Hermann-Josef Nienhoff
im Gespräch mit Fleisch-Marketing zurück. Neben seiner
Bilanz spricht er auch über seine neue Tätigkeit als Leiter
der „Zentrale Koordination Handel Landwirtschaft“.
FLEISCH-MARKETING: QS feiert in
diesem Jahr seinen zwanzigsten Geburtstag.
Sie waren fast von Anfang als Geschäfts-
führer dabei. Wie sieht Ihr Fazit aus?
DR. NIENHOFF: QS hat sich hervorragend
etabliert im Markt. Das Prüfzeichen ist präsent
und anerkannt. Wir sind international
– insbesondere im Bereich Fleisch und
Fleischwaren – der führende Standard. Wir
haben geschafft, nicht nur ein führender
Standard zu sein, sondern auch eine große
Warenverfügbarkeit unter kontrollierten
Bedingungen zu erreichen und – das ist der
entscheidende Punkt – eine stufenübergreifende
Qualitätssicherung vom Futtermittel
über Tierhaltung, Schlachtung und Zerlegung
bis zum LEH zu organisieren. Das ist
einmalig.
Hinzu kommt: Wir versammeln die ganze
Kette an einem Tisch. Bei uns können alle
Wirtschaftsbeteiligte über die ganze Kette
hinweg nach gemeinsamen Wegen suchen
und so ist aus uns heraus beispielsweise die
Initiative Tierwohl entstanden.
FLEISCH-MARKETING: Wie sehen Sie die
Akzeptanz und Bekanntheit von QS?
DR. NIENHOFF: Wir haben uns ganz bewusst
als Prüfzeichen und nicht als Marke
positioniert. Wir verstehen uns eher als Vergewisserung
für den bisweilen verunsicherten
Verbraucher, der auf der Verpackung
sieht: Das ist QS-geprüft. Wir sichern dem
Händler die Rückverfolgbarkeit über die gesamte
geschlossene Kette ab. Wir stehen ja
auch parat, wenn irgendwo etwas vorfällt.
Dann durchforsten wir alles, führen im
Zweifel Sonderaudits durch, gehen in die Betriebe,
sperren die Ware und informieren
auch innerhalb der Kette. Insofern spielen
wir eine besonders wichtige Rolle für die
Handelsmarken, bei denen der Händler die
Verantwortung für das gesamte Produkt hat.
FLEISCH-MARKETING: Sie haben sich
immer für eine freiwillige Vereinbarung der
Wirtschaft stark gemacht. Das Misstrauen
in der Bevölkerung ist aber groß. Worauf
führen Sie das zurück?
DR. NIENHOFF: Das hat verschieden Gründe.
Wir leben in einer Gesellschaft, die geprägt
ist von einem Hoheitsdenken, das auf
das Preußentum zurückgeht. Die Meinung,
die eigentliche Autorität und die Kontrolle
können nur vom Staat ausgehen, ist weit
verbreitet. Entsprechend ist unser Beamtentum
einzigartig in der Welt. Und so wollen
viele Parteien und Organisationen alles
über Gesetze und Verordnungen regeln und
staatlich kontrollieren. Aber der Staat kann
das an vielen Stellen gar nicht, weil Wirtschaft
und Gesellschafft so schnelllebig sind.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir als
wirtschaftsgetragene Kontrollorganisation
schneller reagieren können. Das geht natürlich
nur, wenn wir unabhängig sind. Und das
zweifeln viele an. „Die kontrollieren sich
doch selber“, heißt es dann. Man sollte aber
nicht vergessen, dass bei vielen Skandalen
die amtliche Kontrolle nicht funktioniert
hat. Überdies ist auch die staatliche Überwachung
nicht unabhängig: Da gibt es den
Landrat, da gibt es Leute, die wiedergewählt
werden wollen, da gibt es Gewerbesteuerzahler
– das spielt alles eine Rolle. Aber
wenn ein Schuldiger bei einem Vorfall gesucht
wird, kann das in den Augen vieler
nur der Wirtschaftsteilnehmer sein, denn
der neigt möglicherweise zu Täuschungen.
Diese Ansicht ist in der Gesellschaft verhaftet,
aber natürlich falsch.
FLEISCH-MARKETING: Eine wichtige Aufgabe
war immer das QS-System international
zu verknüpfen. Wie gut ist das gelungen?
DR. NIENHOFF: Mit dem Ergebnis bin ich
sehr zufrieden. Wir haben in Deutschland
10 5/2021 F leisch-Marketing