Unternehmen & Konzepte
Die familiäre Atmosphäre im Schaller-Team drückt sich auch in der Ansprache aus, denn die „Chefin“
wird von allen – mit Ausnahme der Auszubildenden – geduzt.
ich wurde immer mit offenen Armen auf-
genommen, und jeder war bemüht, mir
das Beste mitzugeben“, erzählt sie. Hilfreich
sei auch gewesen, dass sie nach den vier-
zehn Tagen immer eine Beurteilung bekommen
habe, die sie mit ihren Einarbeitungsbegleitern
besprochen habe, um zu erkennen,
bei welchen Themen sie noch Unterstützung
brauche.
Als größte Herausforderung in ihrer Einarbeitungszeit
bezeichnet Schaller das Verinnerlichen
der Rewe-Systeme. „Das war mir
ganz fremd, weil es nicht vergleichbar ist, mit
dem, was ich vorher gemacht habe“, erklärt
sie. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die
Selbständigkeit sei es auch gewesen, den Unterschied
zwischen „eigener Chef“ und „angestellter
Marktmanager“ zu realisieren.
Geblieben ist ihr Führungsstil, den sie als
„prinzipiell locker“ bezeichnet, nicht ohne
darauf hinzuweisen, dass sie ihren Willen
nachdrücklich kundtun könne. „Ich lege Wert
auf ein gutes Miteinander – auch, wenn es
bisweilen nicht ganz einfach ist. Meine Mitarbeiter
wissen, dass sie mit ihren Anliegen
immer zu mir kommen können“, sagt sie.
Die familiäre Atmosphäre drückt sich auch
in der Ansprache aus, denn die „Chefin“ wird
von allen – mit Ausnahme der Auszubildenden
– geduzt. „Das hat sich von allein ergeben,
weil acht meiner Mitarbeiter mit mir
gewechselt sind und ich mit ihnen schon lange
per du war. Viele zu duzen und andere zu
siezen, das funktioniert nicht“, erläutert
Schaller, die ihren rund 30 Angestellten viel
Regionalität spielt eine große Rolle. Nicht nur eine spezielle Insel im Markt, sondern auch die Angebote
in den jeweiligen Abteilungen dienen als Alleinstellungsmerkmal.
Vertrauen schenkt und Verantwortung delegieren
kann.
Das muss sie auch, denn ihr Arbeitsalltag
ist von ihren dreizehn- und sechzehnjäh-
rigen Söhnen geprägt. „Ich versuche, möglichst
oft so gegen zwei Uhr zu Hause zu sein,
um mich um meine Kinder zu kümmern“,
sagt Schaller. So fängt sie morgens um 5 Uhr
mit der Obst- und Gemüseabteilung an und
schaut danach, was sonst noch zu machen
ist, vergibt anstehende Aufgaben an ihre
Mitarbeiter und erledigt einen Teil der Büroarbeit
bis Mittag und den Rest im „Home-
office“. Dass diese Arbeitsaufteilung nur gelingen
Im Eingangsbereich springt dem Kunden sofort
das relativ große „Blumenstandl“ ins Auge.
kann, wenn man sich hundertprozentig
auf sein Team verlassen kann, weiß die
Jungunternehmerin, für die die Vereinbarkeit
von hoher Arbeitsbelastung und Familie
von zentraler Bedeutung ist. Deshalb antwortet
sie auf die Frage nach langfristigen
Zukunftsperspektiven nicht mit der Übernahme
eines weiteren Supermarktes, sondern
mit dem Wunsch, irgendwann etwas
kürzer treten zu können. Dass das vermutlich
ein Traum bleiben wird, ist ihr allerdings
klar. „Denn letztendlich wollen die Kunden
mit der Chefin persönlich reden“, hat sie festgestellt.
11/2018 Fleisch-Marketing 39