SERVICE & BEDIENUNG
Klassische Aufschnittform per Hand. Sogenannter Treppenschnitt mit Legetechniken.
Aperitif wird er klein gewürfelt oder auf dem Vorspeisensalat angeboten,
denn – anders als in Deutschland – gibt es bei unseren Nachbarn
nicht die Tradition des Butterbrotes am Abend. Hiesige Schinken
werden meistens nach dem Salzen und Trockenbrennen
geräuchert, während sie in Südeuropa überwiegend luftgetrocknet
werden. Das hängt natürlich auch mit dem Klima zusammen: Weil es
in südlichen Ländern insgesamt trockener ist, besteht dort die Möglichkeit,
ganze Schinken in gut durchlüfteten Räumen lange Zeit zu
trocknen. Dabei verliert der Schinken ständig Gewicht, nimmt aber
an Geschmack zu, denn bei der Trockenreifung verliert er wenig Fett,
aber viel Feuchtigkeit, so dass der Geschmack konzentriert wird.
Spezialist für rohe Schinken
In Spanien und Portugal sind die Wein- und Schinken-Bodegas und
die Tapasbars, die per Hand geschnittenen luftgetrockneten Schinken
anbieten, sehr populär. Es gibt hier eine große Anzahl unterschiedlicher
Qualitäten – vom einfachen Serrano Schinken mit sieben-monatiger
Reifezeit bis zum hochwertigen 24 Monate gereiften Jamon Iberico
vom Pata Negra, dem Schwein mit den schwarzen Füßen. Diese
Tiere nehmen während der sogenannten Eichelmast für mindestens
60 Tage in den weitenläufigen Freilandflächen mindestens 46 Kilogramm
Gewicht zu. So können sich die Schweine, die auf den riesigen
Flächen in der sogenannten Dehesa in der Region Extremadura und
Andalusien unterwegs sind, hervorragend von dem ernähren, was die
Natur bietet. Durch die unterschiedliche Produktion ist die Preisstellung
der luftgetrockneten Schinken breit gefächert – vom günstigen
Sieben-Kilogramm-Schinken für zirka 50 Euro bis zum hochwertigen
schwarz gelabelten Bellota Pata Negra mit bis zu 700 Euro für die ganze
Acht-Kilogramm-Keule.
Seit einigen Jahrzehnten gibt es in Spanien den sogenannten Cortador.
Das ist ein Spezialist für rohe Schinken. Er kennt die unterschiedlichen
Produktionsmethoden, kann diese erläutern und beherrscht
das händische Aufschneiden der ganzen Schinkenkeulen. Seit 2012
werden professionelle Kurse angeboten, in denen man dieses Handwerk
erlernen kann. Im Jahr 2020 hat die Fleischerakadmie Augsburg
das Thema – erstmals in Deutschland – aufgegriffen und unter Leitung
des bekannten Fleischsommeliers und Cortadors Ronny Paulusch
in einem dreitägigen Kurs Fachliches zu Schinkenspezialitäten
und die Technik des Aufschneidens vermittelt. Am Ende stand eine
theoretische sowie praktische Prüfung und das Zertifikat zum zertifizierten
Cortador.
Wer die Kunst des Schinkenschneidens beherrscht, unterstützt
nicht nur den Genuss, sondern auch die Kalkulation. Denn beim Aufschneiden
gibt es einige Abschnitte, Knochen und Trocknungsverluste.
Man muss ungefähr 50 Prozent an Verlusten kalkulieren und seine
Arbeitszeit berücksichtigen. Auf der anderen Seite zeugt es natürlich
von großer Kompetenz, wenn man in seiner Schinkentheke einen
oder mehrere ganze Schinken zum Aufschneiden anbietet. Dieses Arrangement
lässt sich sehr gut international gestalten – beispielsweise
mit einem San Daniele, einem Noir de Bigorre und einem Iberico Cebo
de Campo. 100-Gramm-Preise zwischen 9 und 19 Euro lassen sich damit
durchaus realisieren. Auch als Aktionsthema ist Schinken interessant,
allerdings sollte man es passend darstellen. So bietet sich beispielsweise
eine Vesperplatte mit verschiedenen Schinken an, da die
Tradition des Butterbrotes in Deutschland als Abendessen immer
noch aktuell ist. Hier könnte man mit geräuchertem, luftgetrocknetem,
gekochtem und eventuell einem aromatisierten Gewürzschinken
die Kunden neugierig machen.
Der Autor
Michael Keller ist Fleischermeister,
Jäger und selbstständiger Fachberater
für französischen Käse, Rindfleisch,
Geflügel und Wein. Der Fachdozent
für Geflügel und Wild, der sich
seit 2017 zertifizierter Fleischsommelier
nennen darf, ist überdies
Teambetreuer des National Teams
Metzger „The German Wolf Pack“
und Jury-Präsident beim Kreativ-
Award-Wettbewerb von Fleisch-
Marketing. www.keller-promotion.de
3/2021 Fleisch-Marketing 31