TOP-THEMA • KASSEN, WAAGEN & WARENWIRTSCHAFTSSYSTEME
Wechselnde
Zahlungsmittel
Die Covid-19-Pandemie hat
in den letzten Monaten viele
Bereiche des alltäglichen Lebens
auf den Kopf gestellt. Auch die
Gewohnheiten der Konsumenten
beim Bezahlen haben sich verändert
– zumindest kurzfristig.
Infolge der Corona-Krise wird der Trans-
aktionsanteil des Bargelds an den deut-
schen Einzelhandelskassen nach Berech-
nungen des EHI Retail Institutes in diesem
Jahr um 5 Prozentpunkte und der Um-
satzanteil um 5,3 Prozentpunkte zurück-
gehen. Entsprechend zulegen können in
diesem Jahr die verschiedenen Varianten der
Kartenzahlung, wie die aktuelle Umfrage bei
30 Händlern mit einem addierten Umsatz
von mehr als 100 Milliarden zeigt.
Vor allem das Bezahlen per Girocard und
in deutlich geringerem Maß auch das
Bezahlen per Kreditkarte profitieren von der
Entwicklung. Der Anteil der Girocard wird
von 33,6 auf 40,2 Prozent steigen, während
das unterschriftbasierte Lastschriftverfahren
auf 5,8 Prozent etwa zwei Prozentpunkte
verliert. Dennoch sind beide Varianten der
Girocard-Nutzung im Handel gemeinsam mit
einem Anteil von 46 Prozent erstmals um-
satzstärker als Bargeld. „In jedem Fall wird
das Jahr 2020 als das wachstumsstärkste
Jahr für unbares Bezahlen in Deutschland
seit Beginn der regelmäßigen Erhebungen
durch das EHI im Jahr 1994 eingehen“,
erklärt Horst Rüter, Leiter des Forschungs-
bereichs Zahlungssysteme und Mitglied der
EHI-Geschäftsleitung.
In der Krise, insbesondere während der
ersten Lockdown-Phase im März und April,
haben Handelsunternehmen aus Hygiene-
erwägungen zum Schutz von Kundschaft und
Kassenpersonal verstärkt kontaktloses Be-
Das Angebot, kontaktlos bezahlen zu können, wurde von vielen Händlern beworben.
zahlen propagiert. Dabei konnten offen-
sichtlich auch zahlreiche ehemalige Bargeld-
zahlende vom unbaren Payment überzeugt
werden. Ein Großteil der gewonnenen Um-
satzanteile ist auch in der Phase abge-
schwächter Infektionszahlen bis August er-
halten geblieben. Seit September legt der
Anteil unbarer Bezahlarten sogar wieder zu.
Erhebliche Zugewinne beim bargeldlosen
Bezahlen sind vor allem im Lebensmit-
teleinzelhandel zu verzeichnen. So wird den
Berechnungen des EHI zufolge der Um-
satzanteil von Bargeld bei Lebensmittel-
Discountern in diesem Jahr von 56,2 auf 46,0
um gut zehn Prozentpunkte schrumpfen.
Einige Unternehmen haben gerade in der
Lockdown-Phase bei deutlichen Umsatz-
steigerungen explizit für das Bezahlen mit
Karte geworben. Ein ähnliches Bild ergibt
sich in den Großflächenbetrieben des Le-
bensmittel-Einzelhandels, bei denen sich der
Bargeldanteil in diesem Jahr von 47,2 auf
39,5 Prozent reduzieren wird.
Für die nächsten Jahre erwartet das EHI
weitere Zuwächse für unbares Bezahlen im
Volumen von etwa drei Prozentpunkten,
Foto: Aldi Süd
insbesondere bedingt durch das bei Kund-
schaft und Handel gleichermaßen beliebte
kontaktlose Bezahlen, das schon jetzt gut die
Hälfte des Kartenumsatzes abdeckt und sich
durch erhöhte Limits (Girocard von 25 auf
50 Euro) und die krisenbedingten Hygiene-
maßnahmen des Handels weitere Anteile
erschließen wird.
Das Zahlungsverhalten deutscher Kon-
sumenten in der Pandemie stand auch im
Zentrum einer Untersuchung, die das Markt-
forschungsunternehmen Kantar im Auftrag
des Payment-Experten Glory im Juli unter
1051 Internetnutzern im Alter zwischen 16
und 64 Jahren durchführte. Dabei gaben 63
Prozent der Befragten an, sie favorisierten
derzeit ein anderes Zahlungsmittel als zuvor.
Besonders wechselbereit war die jüngere
Hälfte der Studienteilnehmer: 69 Prozent
der Käuferschicht zwischen 16 und 34 Jahren
haben ihr Bezahlverhalten geändert.
Auch wenn 11 Prozent der Verbraucher
nun häufiger Bargeld nutzen, geht der Trend
in Zeiten von Corona zur bargeldlosen
Zahlung: 71 Prozent zücken an der Kasse
nun hauptsächlich die Bankkarte.
16 12/2020 Fleisch-Marketing