EDITORIAL Fleisch-Marketing
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„Grauer Schwan“
Als Rupert Claxton, der Meat Director bei Gira, beim – diesmal virtuellen – Round Table
des Belgian Meat Office die Afrikanische Schweinepest und Covid-19 in seiner Analyse als
„black swans“ – also als unerwartete Ereignisse mit enormen Auswirkungen – bezeichnete
und von einer „globalen Destabilisierung“ sprach (siehe Seite 14), galt das zwar für Belgien
und andere Staaten, nicht aber für Deutschland. Kurz danach sah das anders aus: Nachdem
die für Menschen ungefährliche, bei Schweinen aber hochansteckende Viruserkrankung im
Körper eines im Landkreis Spree-Neiße gefundenen toten Wildschweines nachgewiesen
worden ist, gilt Deutschland nicht mehr als „schweinepest-frei“. Und das ist gleichbedeutend
mit einem Schweinefleisch-Exportstopp für die meisten Zielländer außerhalb der EU – ins-
besondere für Großabnehmer China.
Klar ist, dass der Ausbruch der Schweinepest erheblichen Einfluss auf den heimischen Markt
nehmen wird. Denn Produkte wie Pfoten, Ohren oder Schnauzen, die hierzulande so gut wie
nicht nachgefragt werden, gelten in vielen Absatzmärkten als Delikatessen und ihre Vermarktung
FLEISCH-MARKETINGIhr direkter
Export dieser Teile wegfalle, müssten die Verbraucherpreise für die in Deutschland verzehrten
Produkte teurer werden, erklärte Branchenprimus Tönnies in einer ersten Stellungnahme.
Ebenfalls klar ist, dass es sich bei der Schweinepest – im Gegensatz zur Corona-Pandemie –
allenfalls um einen „grauen Schwan“ handelt, denn niemand konnte ernsthaft davon ausge-
hen, dass die Seuche einen Bogen um Deutschland macht. So hat der Verband der Fleischwirtschaft
Schweinepest herausgebracht. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie intensiv sich die
Branche auf die zu erwartende Katastrophe und ihre Auswirkungen vorbereitet hat.
Vielleicht münden die Folgen von Corona und Schweinepest aber auch in einem Ende des
„immer mehr, schneller und größer“, wie es Michael Keller in seinem Beitrag (Seite 26) for-
muliert. Der Fleischsommelier ist überzeugt, dass die Produktion auf Dauer so nicht weiter
gehen wird und setzt sich daher mit Alternativen in der Aufzucht und Vermarktung von
Schweinen auseinander.
Dass man eine Krise als Chance begreifen kann, glaubt auch Rüdiger Zurheide. Der Ge-
schäftsführer des zur Edeka-Gruppe gehörenden Familienunternehmens, das sich nicht nur
als Lebensmittelhändler, sondern auch als Handelsgastronom einen Namen gemacht hat,
schildert in einem Interview (Seite 18), wie – auch aufgrund der Pandemie – in Düsseldorf
gastronomische Konzepte weiterentwickelt wurden.
Norbert Gefäller
10/2020
Fleisch-Marketing
trägt nicht nur zur nachhaltigen Nutzung, sondern auch zur Wertschöpfung bei. Wenn der
(VDF) bereits im Dezember 2017 ein Krisenhandbuch zum Thema Afrikanische
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