SERVICE & BEDIENUNG
Bunte Bentheimer sind eine alte Schweinerasse, die wiederentdeckt wurde.
Renaissance für
intramuskuläres Fett
Die Diskussion über Produktionsbedingungen in der Fleischbranche hat durch die Corona-Krise
eine neue Dynamik entwickelt. Michael Keller ist überzeugt, dass das auf Dauer Folgen haben und
es so nicht weiter gehen wird. In seinem Beitrag setzt sich der Fleischsommelier daher mit
Alternativen in der Aufzucht und Vermarktung von Schweinen auseinander.
Der Fleischmarkt ist in Bewegung – insbesondere bei Schweinefleisch
ist die bisherige „Intensiv-Mast-Produktion“ umstritten.
Wo soll es hingehen? Das Motto „immer mehr,
schneller und größer“ wird bald ausgedient haben. Das ist spätestens
nach der aktuellen Diskussion um die Pandemie und den positiven
Corona-Fällen in den großen Schlacht- und Zerlegebetrieben
deutlich geworden.
Der Bevölkerung beziehungsweise den Endverbrauchern ist klar
geworden, wie viele Schweine an einem Werktag bei großen Unternehmen
wie Tönnies in Rheda-Wiedenbrück geschlachtet werden.
Die Zahl von 30.000 Schweinen pro Tag hat viele erschreckt und
nachdenklich gemacht. Die folgenden Diskussionen und der Aufschrei
in der medialen Öffentlichkeit haben gezeigt, dass es so nicht
weiter gehen wird.
Alternative Vertriebsformen wachsen
„Lieber gutes Fleisch, aber dann weniger“ heißt das aktuelles Motto,
und die Kunden fangen an, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Seit
einigen Jahren gibt es Initiativen zu einer artgerechteren Tierhaltung
– teilweise im Zusammenhang mit der Produktion von bekannten,
meist alten Schweinerassen. Neben Strohschwein-Initiativen –
beispielsweise dem Aktiv-Stall für Schweine von Gabriele Mörix-
mann für die Kalieber- und Glück-satt-Produktion – mit doppelt
so viel Platz im Stall, immer frischem Stroheinstreu, ausreichend
Spielzeug und Auslauf nach draußen entwickeln immer mehr Landwirte
Ideen, um auf diesem Weg erfolgreich zu sein.
In der Regel werden diese Schweine etwas älter als „normale“
Mastschweine. Man benötigt so gut wie keine Antibiotika im Bestand,
die Ringelschwänze bleiben unbehelligt und die männlichen
Ferkel werden beim Kastrieren betäubt. Wichtig ist, dass der Absatz
gesichert ist, wie das Beispiel bei Kalieber über die Firma Schulte
Lastruper Wurstwaren der Fall ist. Natürlich müssen auch alle Teile
des Schweines vermarktet werden. Bei Kalieber geschieht das in
der Wurstproduktion mit der Marke „Glücksatt“.
Es gibt weitere positive Beispiele – beispielsweise den Bauer Heiner
Korte aus Menden, der in ähnlicher Form arbeitet und mit vielen
Fachmetzgereien kooperiert. Korte duscht seine Schweine mit
Teebaum- Lavendel und Orangenöl, darüber hinaus läuft ständig
eine beruhigende Musik und im Stall duftet es nach der Strohauslage.
Ein weiteres Beispiel ist das Ruhrtaler Freilandschwein aus
Essen-Kettwig, das über Fachmetzgereien, aber auch vielen Partnern
aus dem Lebensmitteleinzelhandel vermarktet wird. Hier
nutzt man in der Regel eine Kreuzung aus der deutschen Landrasse
und Piétrain.
26 10/2020 Fleisch-Marketing