SERVICE & BEDIENUNG
Wildschein-Koteletts sind nach wie vor sehr populär in Deutschland. Auch als Patties oder frische Bratwurst sind die Produkte beliebt.
zelgänger unterwegs und suchen nur zur Rauschzeit im Winter
den Anschluss an die Rotten. Gefrischt wird in der Regel in März und
April. Dazu bauen die Bachen einen sogenannten Wurfkessel
und bringen in der Regel fünf bis acht Frischlinge zur Welt. Die Reproduktionsrate
liegt bei drei bis vier. Dieser Zuwachs ist im Grunde genommen
die Menge, die jagdlich entnommen werden sollten.
Obwohl es deutlich magerer ist, lässt sich das Fleisch vom
Wildschwein ähnlich gut verarbeiten wie das des domestizierten
Pendants. Dabei verrät die Farbe immer den Geschmack des
Fleisches, denn je dunkler es ist, desto intensiver schmeckt es.
Wildschwein ist bei den Händlern oft sehr günstig zu bekommen,
und man kann es sehr gut kalkuliert in der Theke präsentieren.
Wenn man einen Thekenteil damit bestückt, fällt es nicht nur aufgrund
der Farbe positiv ins Auge. Denn mit ein wenig Kreativität
beim Zuschneiden können außergewöhnliche Highlights geschaffen
werden. Egal, ob man mit entsprechenden Burger-Patties und
frischer Bratwurst agiert oder doppelte Tomahawk-Koteletts anbietet,
wichtig ist, dass man attraktive Blickfänge in der Theke
präsentiert.
Das Fleisch von Wildschweinen ist wie das anderer Wildarten sehr
abwechslungsreich und hat viele positive Eigenschaften. Wildschweine
aus der freien Natur erleben weniger Stress, und das schmeckt
man. Das Fleisch unterscheidet sich nicht nur geschmacklich, sondern
auch ernährungsphysiologisch deutlich von Mastschweinen. So
hat es deutlich weniger Fett, aber einen höheren Eiweißgehalt. Es ist
reich an ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen und Spurenelementen
und darüber hinaus cholesterinarm. Darüber hinaus verfügt es über
eine geringere Bindegewebestruktur, was für die Zartheit des Fleisches
verantwortlich ist.
Unverzichtbar für ein hervorragendes Fleischstück ist aber auch
der Reifeprozess, weil es ohne ihn nicht zart werden kann. Denn erst
bei der Reifung kommen wichtige enzymatische Prozesse in Gang, die
das Muskelfleisch genießbar machen. Das Wildschwein wird im
Idealfall nach dem Schuss in der Schwarte, wie das Fell genannt wird,
bei ausreichender gut belüfteter Kühlung zwischen 2 und 4 Grad Celsius
zwischen drei bis sechs Tagen gelagert. Alternativ schlägt man
das Tier direkt aus der Schwarte, zerlegt es fachgerecht und reift die
einzelnen Teilstücke und Muskelpartien im sogenannten „Wet-Aging-
Verfahren“ im Vakuum ab.
Wildschwein aus heimischen Jagden ist auch ein hervorragendes Aktionsthema,
das in die kalte Jahreszeit, aber auch in die Grillsaison
passt. „Storytelling“ wird bei Produkten immer wichtiger, und Wildschweinprodukte
bieten einen außergewöhnlich guten Ansatz. Voraussetzung
ist natürlich, dass man von dem Fleisch überzeugt ist. Probieren
Sie es aus. Sie werden überrascht sein, wie saftig, zart und
intensiv beispielsweise die bei 60 Grad Celsius sous-vide-vorgegarte
Wildschwein-Unterschale nach dem kräftigen Nachbraten mit passenden
Aromaten und etwas Salz schmeckt.
Das Fleisch unterscheidet sich deutlich von dem der Mastschweine.
Der Autor
Michael Keller ist Fleischermeister,
Jäger und selbstständiger Fachberater
für französischen Käse, Rindfleisch,
Geflügel und Wein. Der Fachdozent
für Geflügel und Wild, der sich
seit 2017 zertifizierter Fleischsommelier
nennen darf, ist überdies
Teambetreuer des National Teams
Metzger „The German Wolf Pack“
und Jury-Präsident beim Kreativ-
Award-Wettbewerb von Fleisch-
Marketing. www.keller-promotion.de
1-2/2022 Fleisch-Marketing 45