SERVICE & BEDIENUNG
Eine mit Wildscheinfleisch bestückte Theke fällt positiv ins Auge. Die Gerichte überzeugen ernährungsphysiologisch und geschmacklich.
Ganzjähriges Angebot
Beim Schweinefleisch sind
die Deutschen spitze in der
Produktion, in der Vermarktung
und beim Pro-Kopf-Verzehr.
Das überrascht nicht, denn wir gelten
als „die“ Wurstmacher in der
Welt und das bevorzugte Fleisch,
das wir für die Verarbeitung gebrauchen,
kommt vom Schwein.
Allerdings verliert das Schweinefleisch
immer mehr die Gunst der
Das Fleisch von Wildschweinen hat viele
positive Eigenschaften. Es unterscheidet sich
geschmacklich und ernährungsphysiologisch
deutlich von Tieren aus Ställen. Deshalb
empfiehlt Michael Keller, Fleischsommelier
und passionierter Jäger, die Theken verstärkt
mit dieser Fleischart zu bestücken.
Verbraucher, was sich in seit Jahren
kontinuierlich sinkenden Marktanteilen niederschlägt. Das hat mehrere
Gründe: Zum einen haben die Tiere in der intensiven Produktion
– je nach Haltungsform Eins oder Zwei – mit 0,75 bis 0,82 Quadratmeter
pro 100 Kilogramm Lebendgewicht wenig Platz, was die Tierwohl
Debatte befeuert. Hinzu kommt, dass die klassischen Mastschweine
heute bereits im Alter von vier bis fünf Monaten schlachtreif
sind, damit eine sehr kurze Lebenszeit haben und entsprechend über
wenig Fett und geringen Geschmack verfügen.
Schweine werden bereits seit über 9000 Jahren als Nutztiere gehalten.
Es sind intelligente Tiere, die vom Wildschwein abstammen, das
immer noch in unseren Feldern, Wiesen und Wäldern unterwegs ist.
Seit einigen Jahren grassiert die Afrikanische Schweinepest bei Wildschweinen
in Europa. Aus Osteuropa kommend, gab es bereits 2018
Ausbrüche in Belgien und im September 2020 den ersten deutschen
Fall in Brandenburg nahe der polnischen Grenze. Das sorgte für einen
massiven Preisverfall beim Schweinefleisch, da die Exportmärkte für
viele Nebenprodukte, die in Asien vermarktet werden, geschlossen
wurden und Produkte wie Köpfe, Pfötchen, aber auch Eisbeine oder
Innereien in Deutschland nicht ausreichend gefragt sind. Bei den
Hausschweinen gab es die ersten Fälle im Juli 2021 – ebenfalls in
Brandenburg und Mecklenburg-
Vorpommern. Die Bestände wurden
gekeult und vernichtet. Es ist wichtig
zu wissen, dass die Schweinepest
nicht auf den Menschen übertragbar
ist. Man versucht die Seuche einzudämmen,
in dem man Speerzonen
festlegt und diese mit entsprechenden
Zäunen absichert, trotzdem
breitet sich dieses Virus aktuell in
Deutschland weiter aus.
Die Regierung hat reagiert und
mit der Jagdfreigabe auf Wildschweine – außer auf führende Bachen
– für das ganze Jahr ist es möglich, Wildschweine effektiv zu bejagen.
Außerdem wurde mit der Freigabe von Wärmebildkameras und
Nachtsichtoptiken die Voraussetzungen geschaffen, Wildschweine,
die nachtaktiv sind, auch ohne passende Mondlichtphasen jagen zu
können. Die Jahresstrecke in Deutschland 2019/2020 mit knapp
885.000 Schwarzkitteln gegenüber 600.000 im vorherigen Jagdjahr
zeigt, dass die Jäger ihre Aufgabe wahrgenommen und die Möglichkeit
der weiteren Ausbreitung verringert haben.
Wildschweine haben einen ausgeprägten Wühl- und Spieltrieb. Sie
sind sehr gesellig und leben in Familiengruppen, die von einer erfahrenen
weiblichen Bache angeführt werden. In Groß-Rotten gibt es
meist mehrere Bachen mit ihren Frischlingen. Hinzu kommen die
Frischlinge vom Vorjahr, die als Überläufer bezeichnet werden.
Frischlinge und Überläufer sind die bevorzugten Abschuss-Schweine.
Dabei gilt jung vor alt. Schon mit knapp sieben Monaten werden die
weiblichen Stücke geschlechtsreif, aber die Leitungsbache bestimmt
die Rauschzeit. Mit gut einem Jahr verlassen die Überläufer meist den
Rottenverband und leben in Junggesellengruppen zusammen. Ältere
männliche Tiere, die man als Keiler bezeichnet, sind meistens als Ein-
44 1-2/2022 Fleisch-Marketing