EDITORIAL Fleisch-Marketing
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Von Meilensteinen
und Königsdisziplinen
Die Internationale Grüne Woche ist nicht die Jahresauftaktveranstaltung für die Ernährungsbranche,
FLEISCH-MARKETINGIhr direkter
politisch war wie nie. Gleich zweimal waren die Straßen der Hauptstadt von Traktoren
blockiert. Erst protestierte ein Teil der Bauern gegen strengere Umweltauflagen, und
am nächsten Tag stand die „nachhaltige Landwirtschaft“ auf der Agenda. Auffallend war,
dass der Ton, mit dem die eigene Meinung vertreten wird, rauer geworden ist. Das ist
allerdings ein gesamtgesellschaftliches Problem, und so sah sich Bundesernährungs-
ministerin Klöckner genötigt, in ihrer Eröffnungsrede zu betonen, dass Kompromisse
nicht automatisch faul seien, sondern die „Königsdisziplin der Demokratie“.
In den Ernährungsdiskussionen auf der Grünen Woche spielte Fleisch natürlich wieder
eine bedeutende Rolle. Vor allem die Zusicherung der an der Initiative Tierwohl teilnehmenden
dabei tatsächlich um einen „Tierwohl-Meilenstein“ handelt, wie Clemens Tönnies, Geschäftsführer
entscheiden. Denn er wird über seinen Einkauf die Mehrkosten mitfinanzieren müssen.
Nicht alle Marktbeobachter teilen die Zuversicht von ITW-Geschäftsführer Alexander
Hinrichs, „dass das Modell Verbraucherpreise ermöglicht, die sich ein Großteil der
Verbraucher leisten kann und wird.“
Und noch eine weitere Nachricht sorgte Anfang des Jahres für Aufsehen. Sie kam aus
England und hatte ausnahmsweise nichts mit dem Brexit zu tun, sorgte aber trotzdem
für Kopfschütteln. Asda, die Nummer drei im britischen Lebensmitteleinzelhandel, will
die Frischebedienungstheken aus Kostengründen auf seinen Großflächen abschaffen
und durch „Food-To-Go“-Theken ersetzen. Unwillkürlich fühlt man sich an die achtziger
Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnert, als der deutsche LEH die Frischetheken aus
Kostengründen aussonderte – und diesen Fehler bald berichtigen musste. Auch die
Asda-Kunden in Großbritannien werden sich die Frage stellen, warum sie nicht ausschließlich
1-2/2020
Fleisch-Marketing
sondern sie zeigt auch, aus welcher Richtung der Wind in den kommenden
zwölf Monaten weht. Insofern überrascht es nicht, dass die diesjährige Messe so
Handelskonzerne, bis zum 1. Juli 2021 den Großteil ihres frischen Schweinefleisch
Sortiments auf ITW-Ware umzustellen, sorgte für Gesprächsstoff. Ob es sich
des gleichnamigen Fleischgiganten, meint, wird letztlich der Verbraucher
zum preisgünstigen Discounter gehen sollten, wenn der Vollsortimenter
Weg zu unseren
Mediadaten u
sein Alleinstellungsmerkmal abschafft.
Norbert Gefäller