PROTEINE
AUS PLASTIK
Lebensmittel aus Plastikmüll – klingt unwirklich, könnte aber bald Realität
sein. Ein Projekt aus den USA legt dafür gerade den Grundstein.
it dem Forschungspro-jekt
„From Waste to
Food: A Generator of Fu-ture
Food“ sind die Wis-senschaftler
Dr. Ting Lu,
Professor für Bioenginee-ring
an der University of
Illinois Urbana-Champaign und Dr. Stephen Techt-mann,
Associate Professor für Biowissenschaften an
der Michigan Technological University bahnbrechen-dem
auf der Spur. Das Ziel: Plastikmüll mithilfe von
Mikroben in Nahrung umwandeln. Für dieses Projekt
haben sie jüngst den mit 1 Mio. Euro dotierten Future
Insight Prize der Merck KGaA erhalten.
Von Müll zu Proteinpulver
Um Plastikmüll in essbare Proteine zu verwandeln,
muss das Plastik zunächst mittels Chemikalien in klei-nere
Moleküle zerteilt und anschließend an Bakterien
„verfüttert“ werden. Diese zersetzen es und stellen
daraus Proteine und andere Bausteine wie Fettsäu-ren
her. Das so gewonnene Proteinpulver kann zu
zahlreichen Lebensmitteln, etwa kultiviertem Fleisch,
verarbeitet werden. „Unsere Technologie unterschei-det
sich grundlegend von der traditionellen Landwirt-schaft
und Viehzucht, da wir für die Produktion von
Lebensmitteln keine landwirtschaftlichen Flächen und
Tiere benötigen. Auch von jüngsten Verfahren wie der
In-vitro-Fleisch-Herstellung grenzt sich unsere Tech-nologie
ab, denn wir verwenden Plastik als vorrangi-ge
Quelle für die Herstellung des Proteinpulvers. Au-ßerdem
ist es unser Ziel, das Endprodukt zusätzlich
mit gesundheitsfördernden Eigenschaften zu verse-hen
sowie individuelle Anpassungen des Produkts zu
ermöglichen“, stellt Dr. Ting Lu heraus. Als nächsten
Schritt wollen die Biologen daher ihre Bakterien effizi-enter
machen sowie mit Aminosäuren und mehrfach
ungesättigten Fettsäuren den Nährwert des Protein-pulvers
verbessern.
Projekt mit Zukunft
„Noch befinden wir uns in einer sehr frühen Entwick-lungsphase
und von der Marktreife sind wir noch eini-ge
Jahre entfernt. So ist die Sicherheit der Lebensmit-tel,
die aus unserem Proteinpulver hergestellt werden,
ein wichtiger Aspekt, den wir angehen müssen“, be-tont
Dr. Ting Lu. Ist dies sichergestellt, soll es künftig
möglich sein, im großen Stil Tanks mit den speziellen
Mikroben mit Plastikmüll zu „füttern“ und schließ-lich
Proteinpulver zu erhalten. „Ich denke, die Tech-nologie
ebnet den Weg für einen Paradigmenwech-sel
in der Lebensmittelherstellung.“ Langfristig gehen
die Forscher mit ihrem Projekt gleich zwei internatio-nale
Probleme an: die Nahrungsmittelknappheit an-gesichts
der wachsenden Weltbevölkerung und die
Entsorgung von Plastikmüll. Ziel der Forschungsar-beit
ist es daher auch, die Technologie auf weitere
Kunststoff- und Abfallarten auszuweiten. „Während
wir uns zunächst auf Plastik fokussiert haben, arbei-ten
wir mittlerweile auch daran, das Verfahren fle-xibler
zu gestalten, so dass auch andere Abfallarten
wie nichtessbare Biomasse für die Produktion von
essbaren Proteinen genutzt werden können“, erklärt
Dr. Stephen Techtmann. Antonia Perzl
M
Dr. Stephen
Techtmann,
Associate
Professor für
Biowissenschaften
in Michigan
Dr. Ting Lu, Professor
für Bioengineering
in Illinois
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