Trends & Märkte
Aus der Corona-Zeit
resultieren viele verschie-
dene Veränderungen im Er-
nährungs- und Einkaufsver-
halten, die sich zum Teil auch
langfristig halten werden.
Das ist ein Ergebnis einer
Studie, die das Kölner Markt-
und Medienforschungsinstitut
Rheingold im Auftrag des
Feinkostverbandes
Kulinaria Deutschland
durchgeführt hat.
Während im ersten Lockdown
insbesondere die Vorratshaltung
von hoher Bedeutung
war, befinden man sich nun in einer „Zwischenwelt“,
die noch eine ganze Weile andauern
wird und in der sich neue Routinen
etablieren und festigen, glaubt
Rheingold aufgrund der für die Studie
„Das Coronavirus und die neue kulinarische
Esskultur“ durchgeführten zwanzig
tiefenpsychologischen Interviews. Die gestiegene
Verbreitung und Akzeptanz von
Home-Office wird erhalten bleiben und
die kulinarische Versorgung zuhause weiterhin
von hoher Relevanz sein. Die
Grunderfahrung einer „stärkeren Erdung
der Ansprüche“ und Offenheit für Vereinfachung
– beispielsweise mit kulinarischen
Produkten – wird auch über den
Lockdown hinaus wirken, prognostiziert
das Marktforschungsinstitut.
Sechs zentrale Treiber
Für die Veränderung von Ernährung, Kochen
und Essen in Zeiten von Corona lassen
sich laut Rheingold sechs zentrale
Treiber differenzieren. So werden aus der
Erfahrung einer begrenzten Verfügbarkeit
von Produkten sowie aufgrund des
– beispielsweise durch Maskenpflicht –
eingeschränkten Einkaufserlebnisses
„Erdung der
Ansprüche“
Foto: Colourbox
Eine Folge der Pandemie ist die Reaktivierung des Familientischs. Sie wird als sehr positiv erlebt, da
damit der interne Kontakt intensiviert wird. Statt Ernährungsideale rückt mit dieser Entwicklung das
Stärken des „Wir-Gefühls“ in den Mittelpunkt.
verstärkt Vorratshaltung und Plankäufe
getätigt. Da Home-Office beziehungsweise
-Schooling mit der Herausforderung
einer eigenen Tagesstrukturierung einhergehen.
werden Mahlzeiten und Snacks
als Marker für die Zwischenetappen im
Tagesverlauf genutzt, wodurch die Anzahl
der Verzehranlässe steigt. Als dritter
Treiber wurde ausgemacht, dass das gemeinsame
Essen zur zentralen Begegnungsstätte
wird, bei der auch Sorgen
und Nöte „auf den Tisch“ kommen. Die
Reaktivierung des Familientischs wird als
sehr positiv erlebt, weil hier der interne
Kontakt intensiviert wird. Statt Ernährungsideale
rückt das Stärken des „Wir-
Gefühls“ in den Mittelpunkt.
Da die vielfältigen, anhaltenden Begrenzungen
als ermüdend bis deprimierend
erlebt werden, bietet Essen eine Möglichkeit,
Tristesse zu kompensieren, und wird
gezielt zur Stimmungsmodulation eingesetzt.
Überdies vermittelt Kochen – angesichts
der eigenen Stilllegung und Begrenzung
– Erlebnisse von Kreativität,
Entwicklung und Selbstwirksamkeit, die
stolz serviert und präsentiert werden
können. Zum Teil entsteht jedoch auch
Frustration durch den hohen Aufwand,
fehlende Kompetenzen oder enttäuschende
Ergebnisse. Schließlich hat die Corona-
Zeit den Blick für das Wesentliche geschärft
und eine Erdung für das Thema
„Ernährung“ bewirkt. Statt hoher Ernährungsideale
steht nun ein gesundes Maß
im Fokus.
Neuer Pragmatismus
Die gelockerten Perfektionsansprüche
und ein neuer Pragmatismus erhöhen die
Akzeptanz von Convenience-Produkten,
schlussfolgert die Studie. Denn die neuen
Ambitionen zum Selber-Machen erforderten
Hilfsprodukte, die inspirieren, zugleich
Aufwand reduzieren und das Gelingen
absichern.
12 9/2020 Fleisch-Marketing