Bioprodukte • Top-Thema
Das Konsumklima hält
sich konstant auf hohem
Niveau. Und wenn der Kunde
nicht auf jeden Cent achten
muss, drängen Qualität und
Ethik den Preis etwas in den
Hintergrund. Davon können
auch Anbieter von Bio-
Fleischwaren profitieren.
Für Schwung hat Rügenwalder im
vergangenen Jahr mit der Einführung
eines Bio-Sortimentes gesorgt.
Ökonomie
und Naturschutz
„
Wir glauben, dass der Bio-Wurstmarkt
in den kommenden Jahren
auf ein ähnliches Volumen
kommen wird wie der Bio-Eiermarkt heute
– also auf etwa zehn Prozent“, erklärte Geschäftsführer
Godo Röben im vergangenen
Sommer die Einführung von Wurst-Produkten
in Bio-Qualität der Rügenwalder Mühle.
Mit dem neuen Sortiment reagiere man auf
Veränderungen bei den Verbraucherbedürfnissen
und ein generelles Umdenken in der
Gesellschaft, führte Röben aus.
Der Zeitpunkt für den Start des Schinken
Spickers als Bio-Variante war günstig, denn
der Bio-Markt entwickelt sich stetig weiter.
Ein Grund für das Wachstum der Erzeugnisse,
für die ein Preisplus zwischen 30 bis 60
Prozent gerechnet wird, sind die derzeitigen
positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Denn sie erhöhen die Bereitschaft
der Kunden, für Lebensmittel tiefer in die Tasche
zu greifen.
Und da Rügenwalder – wie gewohnt – die
neuen Produkte mit großer Werbeunterstützung
platzierte, gewann der Bio-Wurstmarkt
generell an Fahrt. Dazu trugen auch die Discounter
bei, denn nachdem sie sich bei Bio
zunächst auf ein kleines Basis-Sortiment beschränkten,
bauten sie mit steigendem Kundenanspruch
ihr Angebot im größeren Stil
aus. Aldi Süd beispielsweise führt mittlerweile
Wurst, Hackfleisch und Hähnchen im
Dauersortiment, und in einzelnen Regionen
wird der Verkauf von Bio-Rinderfilet getestet.
Auch Aldi Nord will seine Öko-Linie mit
derzeit 180 Artikeln weiterentwickeln und
fokussiert sich dabei neben Obst und Gemüse
auf Frischfleisch. Die Aktivitäten der Discounter
werden vom Fachhandel mit gemischten
Gefühlen verfolgt. Zwar gewinne
Bio dadurch an Bedeutung, doch mit den
Discount-Preisen könne man natürlich nicht
mithalten, ist die vorherrschende Meinung.
Positiv kann sich für die Bio-Sortimente
auch das Ende des Hypes um die Fleischersatzprodukte
auswirken. In der Vergangenheit
betonten die Erzeuger zwar immer wieder,
dass man von dem Veggie-Boom nicht
betroffen sei, mussten allerdings einräumen,
dass die fleischlosen Alternativen natürlich
Konkurrenten im Kampf um die Stellfläche
im Handel sind.
Das größte Problem für die Bio-Vermarktung
ist neben dem höheren Preis nach wie
vor der Rohstoffmangel, auch wenn mittlerweile
mehr Erzeuger ihre Höfe umgestellt
haben und damit größere Mengen an Bio-
Fleisch lieferbar sind. Abhilfe soll auch das
Projekt „Grünlandschutz durch ein innovatives
Bio-Weiderindkonzept“ schaffen. Gefördert
von der Bundesanstalt für Landwirtschaft
und Ernährung, beschäftigt sich
die Universität Hohenheim in Stuttgart gemeinsam
mit der Universität Göttingen,
dem Landwirtschaftlichen Zentrum Baden
Württemberg sowie zahlreichen Partnern
aus Praxis, Naturschutz und Politik mit einem
neues Gesamtkonzept für die ökologische
Rinderhaltung.
Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass
im Südschwarzwald nach dem Abtrieb der
Tiere von der Weide viel Bio-Fleisch gleichzeitig
auf den Markt drängt. Das vergleichsweise
große Angebot drücke dann die aktuellen
Preise, während zu anderen Zeiten zu
wenig Bio-Rindfleisch zur Verfügung stünde,
so dass sich das Geschäft für viele Landwirte
nicht rentiere, erklärt Projektmitarbeiter
Dr. Lukas Kiefer, Agrarökonom an der
Universität Hohenheim. Nun wollen die
Wissenschaftler das Problem mit einem
„Sammelstallkonzept bei naturschutznaher
Beweidung“ entschärfen: „Wir entwickeln
einen Stall, der die Tiere nach der Weide
aufnimmt, so dass dann der Markt kontinu-
ierlich beliefert werden kann“, berichtet
Markus Kaiser, einer der initiierenden
Landwirte. Da das nach dem neuen Konzept
erzeugte Bio-Rindfleisch auch verkauft werden
muss, wurde mit der Edeka-Gruppe
eine Vermarktungsstrategie entwickelt. „So
betrachten wir die gesamte Wertschöpfungskette
und wollen letztendlich Ökonomie
und Naturschutz miteinander vereinbaren“,
legt Professor Achim Spiller von der
Universität Göttingen dar.
1-2/2018 Fleisch-Marketing 15