KLIMANEUTRALITÄT
Umweltschutz oder
Ablasshandel?
Durch CO2-Ausgleichszahlungen können sich Betriebe das Attribut „klimaneutral“
erkaufen. Ob eine solche Kompensation wirklich sinnvoll ist, erklärt Corinna
Gather vom Umweltbundesamt im Interview.
Frau Gather, immer mehr Betriebe im Gast-gewerbe
greifen auf CO2-Ausgleichszah-lungen
zurück, um „klimaneutral“ oder gar
„klimapositiv“ zu werden. Lässt sich Nach-haltigkeit
wirklich so einfach erkaufen?
Für die Umwelt wäre es natürlich am besten,
wenn Emissionen gar nicht erst entstehen.
Wenn das nicht möglich ist, empfehlen wir
einen Ausgleich mit Emissionsminderungs-gutschriften.
Diese sollten aber aus quali-tativ
hochwertigen Klimaschutzprojekten
kommen, die von anerkannten Umweltstan-dards
zertifiziert wurden und einen beleg-ten
zusätzlichen Mehrwert für die nach-haltige
Entwicklung des Gastgeberlandes
aufweisen – etwa indem sie dort Arbeits-plätze
„Seriöse Zertifikate müssen mit
einer Seriennummer versehen und
stillgelegt werden.“
schaffen oder etwa zur biologischen
Vielfalt beitragen.
Lässt sich durch eine solche Kompensation
tatsächlich eine „Klimaneutralität“ errei-chen,
in dem Sinne, dass der in der Umwelt
entstandene Schaden gleich null ist?
Rechnerisch ja, denn dem Klima ist egal,
wo auf der Welt die Treibhausgase
reduziert
werden. Die entstandenen Treibhausgas-
Emissionen
und die Emissionen, mit denen
kompensiert werden soll, müssen aber mit
robusten und seriösen Methoden berechnet
werden. Bei Flügen ist etwa wichtig, auch
die sogenannten Nicht-CO2-Effekte zu be-rücksichtigen.
Beim Fliegen schadet näm-lich
nicht nur das CO2 dem Klima, sondern
auch die von den Triebwerken ausgeschiede-nen
Stickoxide oder der Wasserdampf.
Wer wissen will, welche Treibhausgas-
Emissionen ein Flug verursacht, kann das
mit Hilfe des CO2-Rechners des Umweltbun-desamtes
selbst ausrechnen (s. Onlinelink).
Welche Arten von CO2-Kompensation gibt
es überhaupt?
Die Kompensation erfolgt in der Regel über
Emissionszertifikate, mit denen dieselbe
Emissionsmenge in Klimaschutzprojekten
ausgeglichen wird. Klimaschutzprojekte
sind vielfältig. Da gibt es beispielsweise
Projekte zur Installation von erneuerbaren
Energien, zur Verbreitung von Holzkochern
anstelle offener Feuer in Entwicklungslän-dern,
zur Vermeidung von Methan bei der
Abfalldeponierung oder zum Einsatz von
LED-Leuchten sowie Projekte zur Auffors-tung
und zur vermiedenen Entwaldung.
Welche Art der Kompensation ist sinnvoll?
Woran erkennt man seriöse Anbieter?
Der freiwillige Markt für Treibhausgas-
Corinna Gather
ist studierte Volkswirtin
mit Schwerpunkt auf
Umweltökonomie. Seit
2008 betreut sie im
Umweltbundesamt das Fach-gebiet
Klimaschutzprojekte.
MEHR DAZU
Links zum CO2-Rechner und
dem Ratgeber zur CO2-Kompen-sation
sowie ein Interview zur
CO2-Belastung durch Flugreisen
finden Sie online:
www.gastroinfoportal.de/
co2-kompensation
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