Grill-Gefühle

FH_04_2015

food_trend Gunther Hirschfelder, Kulturwissenschaftler an der Universität Regensburg, über den Mythos Grillen, die Lust auf Fleisch und die Chance, dass Männer als Grillmaster die Zange an Profis abgeben. Grill-Gefühle Fotos: privat, © Jag_cz – Fotolia.com Herr Hirschfelder, zu welchem Griller-Ty-pus gehören Sie? Zu den Ungestümen, die der Glut mit Fön zuleibe rücken? Oder zu den Vernunftbetonten, die den Gas-grill vorziehen? Ich bin eher der funktionale Griller. Dieser Typus wurde in den 70er-Jahren geprägt, als weniger das Grillgut, sondern die Geselligkeit im Mittel-punkt stand. Da packte man den Campinggrill aus, legte Nackensteaks drauf und stieß mit Flaschenbier an. Dem bin ich treu geblieben. Und was mögen Sie am liebsten? Fleisch satt? Oder auch mal Fisch und Vegetarisches? Diese Aufspaltung der Grillkultur ist ein relativ neues Phänomen. Als Traditionalist passt für mich noch immer eher Fleisch auf den Grill. Das sehen heute nicht alle so. Wie das Grillen als Domäne der Männlichkeit im Wanken ist, so ändert sich auch das, was auf den Rost kommt. Bis heute erfreut sich das Grillen ungebroche-ner Beliebtheit. Warum ist das so? Grillen ist der Anti-Alltag. Wir sind heute zuneh-mend reglementiert und befinden uns in einer Optimierungsspirale. Bestellt sich einer die drei-fache Menge Currywurst und Pommes im Be-triebsrestaurant, wird er schief angeschaut. Eine solche Maßlosigkeit wird von der Gesellschaft sogleich sanktioniert. Am Grill sind diese Regeln außer Kraft gesetzt. Kein Gast muss sich hier mit nur einem Würstchen zufrieden geben. Im Ge-genteil: Am Grill wird entgrenzter Fleischgenuss erwartet! Solche Inseln braucht der Mensch, sie erlauben, aus dem reglementierten Alltag aus-zubrechen. Ist Grillen überall auf der Welt beliebt? Das Grillen ist eine Leidenschaft der Amerikaner und Europäer, es ist auch in Südafrika sowie in Australien verbreitet. In diesen Ländern ist Gril-len eine Variante von Freizeitbeschäftigung und eher ein archaischer, wenig künstlerischer Pro-zess. Das erklärt, warum in Ländern wie Indien und Asien kaum nach westlichen Maßstäben gegrillt wird. Wie ist der Grill-Hype entstanden? Natürlich haben schon unsere Urahnen Fleisch über dem offenen Feuer gegart. Doch das ist nicht der Ursprung. Die Wur-zeln liegen in den 70er-Jahren, als sich das Kochen von der reinen Notwendigkeit ent-fernte und zunehmend zelebriert wurde. In dieser Zeit erschien die Zeitschrift Essen & Trinken, und Männer rückten an den Herd. Gleichzeitig begann der Eventismus. Diese Zeit war die Geburtsstunde des Grillens, wie wir es heute kennen. 31


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