VdF sieht in verpflichtender Haltungskennzeichnung Schritt in die richtige Richtung
„Die verpflichtende Haltungskennzeichnung kann nur mit einer gesicherten langfristigen Finanzierung zu verbesserten Haltungssystemen führen“, kommentiert Dr. Heike Harstick, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Fleischwirtschaft (VdF), die heute von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Die Grünen, Bild o.) angekündigten Eckpunkte für eine staatliche Haltungskennzeichnung.
„Wir unterstützen ausdrücklich die Bemühungen von Minister Özdemir, die Finanzierung in der Regierungskoalition schnell auf den Weg zu bringen. Denn erst wenn die Tierhalter wissen, was genau von Ihnen gefordert ist und einen verlässlichen Ausgleich für erforderliche Investitionen und Mehraufwand erhalten, werden Sie in der Breite auf höhere Haltungsformen umstellen“, so Harstick weiter.
Das Thünen-Institut schätzt den Finanzbedarf für die Schweinehaltung auf drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr. „Zur Gegenfinanzierung sind wir offen dafür, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für tierische Erzeugnisse zu streichen“, erklärt Harstick. Die FDP müsse jetzt „ihre Blockadehaltung aufgeben und die Empfehlungen der Borchert-Kommission annehmen“.
Vorschriften blockieren (noch) gewünschte Verbesserungen
Auch die Ankündigung von Minister Özdemir, das Bau-, Umwelt- und Planungsrecht schnell anzupassen, unterstützt der Verband. Denn nur so würden Stallumbauten, etwa Offenställe, überhaupt erst möglich. In vielen Fällen blockierten derzeit die genannten Rechtsbereiche gewünschte Verbesserungen in der Tierhaltung.
In jedem Fall sei ein schnelles Handeln erforderlich, wenn man den aktuellen Strukturbruch in der deutschen Tierhaltung noch aufhalten wolle. „Anders als bei Obst und Gemüse, wo wir auf Importe oft aus fernen Ländern angewiesen sind, haben wir bei Milch und Fleisch einen hohen Grad an Versorgungssicherheit. Dies sollte man gerade jetzt nicht aufs Spiel setzen. Es hilft zudem weder dem Tierwohl noch dem Klimaschutz, wenn die Produktion ins Ausland verlagert wird“, begründet die VdF-Geschäftsführerin die Unterstützung für Minister Özdemir.
Das Gesamtvorhaben einer zukunftsfesten Tierhaltung umfasst für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vier zentrale Bausteine: eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung, ein Förderkonzept für den Umbau der Ställe einschließlich einer langfristigen Perspektive für die Betriebe, bessere Regelungen im Tierschutzrecht sowie Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht.
Kernpunkte des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes
Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz schafft laut BMEL die gesetzliche Verpflichtung, Lebensmittel tierischer Herkunft mit der Haltungsform der Tiere zu kennzeichnen, von denen das Lebensmittel gewonnen wurde. Es regelt zudem die Pflichten der relevanten Marktteilnehmer, also der Landwirte oder derjenigen, die das Lebensmittel vermarkten.
Für alle Lebensmittel tierischer Herkunft, für die eine Kennzeichnung verpflichtend eingeführt wird, gilt: Sie sind beim Verkauf an die Endverbraucher mit einer Angabe über die Haltungsform der Tiere zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung informiert darüber, in welcher Haltungsform die Tiere gehalten wurden.
Im Wesentlichen:
• Lebensmittel müssen verpflichtend gekennzeichnet werden, wenn die Tiere in Deutschland gehalten wurden und die Lebensmittel in Deutschland an Endverbraucher verkauft werden.
• Es werden alle Formen der Abgabe von Lebensmitteln tierischen Ursprungs an die Verbraucher erfasst, unter anderem Einzelhandel, Bedientheke, Onlinehandel, Wochenmarkt.
• Maßgeblich für die Kennzeichnung ist die Haltungsform der Tiere während des produktiven Lebensabschnittes, bei Fleisch die Mast.
Folgende fünf Haltungsformen werden gekennzeichnet:
• Haltungsform Stall
• Haltungsform Stall+Platz
• Haltungsform Frischluftstall
• Haltungsform Auslauf/Freiland
• Haltungsform Bio
Erster Schritt: Tierhaltungskennzeichnung bei Schweinefleisch
• Die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung soll schrittweise eingeführt werden, beginnend mit frischem Schweinefleisch, gekühlt oder gefroren, verpackt oder unverpackt, im Lebensmittelhandel, den Fleischereifachgeschäften, dem Online-Handel und anderen Verkaufsstellen.
• Weitere Vermarktungswege, insbesondere über die Gastronomie und Außerhaus-Verpflegung oder verarbeitete Produkte, sollen im Laufe der Legislatur in die Tierhaltungskennzeichnung aufgenommen werden, wenn im Rahmen des ersten Schrittes das Konzept der verpflichtenden Haltungskennzeichnung am Beispiel Schweinefleisch grundsätzlich von der EU-Kommission notifiziert wurde.
• Gleiches gilt für weitere Tierarten wie Rinder, Milchvieh oder Geflügel. Auch sie werden schrittweise in die verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung aufgenommen. Einen entsprechenden Zeitplan werde das BMEL mit Start der Gesetzesberatungen vorstellen.
So geht es nun weiter
Der Gesetzentwurf zur verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung für frisches Schweinefleisch wird nun innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Dann wird er den Ländern und Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet. Danach wird der vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf der EU zur Notifizierung vorgelegt. Im Herbst starten die Beratungen des Gesetzentwurfs zunächst im Bundesrat, zudem ist Ende des Jahres die erste Lesung im Bundestag vorgesehen.
Kritik an der verpflichtenden Haltungskennzeichnung des Landwirtschaftsministers kommt von foodwatch. Annemarie Botzki, Expertin für Landwirtschaft bei der Verbraucherorganisation: „Schweine mit entzündeten Lungen. Hühner, die am Ende der Mast nicht mehr laufen können und deshalb verdursten – an diesem alltäglichen Leid der Nutztiere wird die von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir geplante Tierhaltungskennzeichnung nichts ändern. Das Label kennzeichnet lediglich die Unterschiede in der Haltungsform. Doch die Haltungsform allein sagt nichts darüber aus, ob die Tiere auch wirklich gesund gewesen sind. Die auf Hochleistung getrimmte deutsche Landwirtschaft macht die Tiere chronisch krank, sie leiden unter Schmerzen und Verletzungen – und zwar in allen Haltungsformen, in großen oder kleinen Betrieben, konventionell oder bio, Haltungsform Stall oder Auslauf/Freiland.“
Die Nutztierhaltung in Deutschland und der EU müsse grundsätzlich verändert werden, hin zu deutlich weniger Nutztieren, um das Klima und die Umwelt zu schützen. Zudem müssten die Tiere so gehalten werden, dass sie nicht krank werden. Ein Siegel, das nur auf die Haltungsform schaut, sei irreführend und blende das entscheidenden Probleme aus – den Gesundheitszustand der Tiere. Vielmehr brauche es unabhängige Kontrollen der Verletzungen und Gesundheitsschäden der Tiere in jedem einzelnen Stall. Es müsse Folgen haben, wenn Tierhalter es nicht schaffen, gesunde Tiere ‘abzuliefern’. Landwirte, die gesunde Tiere haben, müssten belohnt werden.