Öko- und Tierschutzaktivisten kritisieren freiwilliges Tierwohlkennzeichen, Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) kanzelt die Kritik als „Augenwischerei“ ab.
Der Öko-Verband Naturland und die Tierschutzorganisation Provieh kritisieren den Entwurf des staatlichen Tierschutzlabels als „mangelhaft und nicht zielführend“. „Ein freiwilliges Label bringt die Tierhaltung in Deutschland kein bisschen weiter. Im Gegenteil, mit diesem Vorschlag wird der Status Quo zementiert. Es sorgt weder für spürbare Verbesserungen in der Nutztierhaltung, noch für Transparenz beim verantwortungsvollen Einkauf“, sind sich Naturland-Präsident Hubert Heigl und Angela Dinter von Provieh in ihrer Kritik einig.
„Ein freiwilliges Label bringt die Tierhaltung in Deutschland kein bisschen weiter.“
Naturland-Präsident Hubert Heigl und Angela Dinter von Provieh
Der Gesetzesentwurf für eine staatliche, dreistufige und freiwillige Tierwohlkennzeichnung für Schweinefleisch sollte eigentlich in der vergangenen Woche von Bundesministerin Julia Klöckner dem Kabinett vorgelegt werden. Er wurde aber wegen der massiven Kritik von allen Seiten vorerst zurückgezogen.
Öko-Fleisch ist mehr als Klöckners Fake-Premium
„Wir brauchen kein freiwilliges Tierwohl-Label, sondern eine verpflichtende und klare Kennzeichnung der Haltungsform, wie wir sie heute schon bei den Eiern haben. Dieses vom Verbraucher akzeptierte System muss Frau Klöckner einfach nur auf den Fleischbereich anwenden und die höchste Stufe der Öko-Erzeugung zuordnen. Stattdessen setzt die Ministerin auf ein freiwilliges Label mit geschönten Kriterien“, sagte Angela Dinter, Fachreferentin für Schweinehaltung bei Provieh.
„Öko-Schweine haben über 50 Prozent mehr Platz als die Schweine in Klöckners Fake-Premiumstufe. Öko muss deshalb zwingend eine eigene Stufe in einem verpflichtenden Kennzeichnungssystem bekommen. Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht der Öko-Bauern“ sagte Naturland Präsident Hubert Heigl.
Kritik von allen Seiten an Tierwohlkennzeichen
Die geplante Tierwohlkennzeichnung steht zunehmend in der Kritik. Inzwischen wächst sowohl in der Großen Koalition als auch in den Bundesländern der Widerstand. So haben sich schon mehrere Abgeordnete der SPD und der CDU/CSU-Fraktion gegen Klöckners Gesetzentwurf ausgesprochen. Das Land Niedersachsen hat eine Bundesratsinitiative für eine verpflichtende Kennzeichnung gestartet. Naturland und Provieh fordern die Ministerin auf, sich der Debatte zu stellen. Sie solle zudem die Sommerpausenutzen, um den Entwurf zu überarbeiten. Die Kennzeichnung müsse verpflichtend werden und die Öko-Tierhaltung als eigene Stufe in der Kennzeichnung aufgenommen werden.
„Wer schnell mehr für mehr Tierwohl erreichen will, der geht nicht auf die lange und rechtlich fragliche Fahrt eines national verpflichtenden Tierwohlkennzeichens.“
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft
Die Bundesagrarministerin wehrte sich in einer Ende Juni veröffentlichten Stellungnahme gegen die Kritik: „Wer schnell mehr für mehr Tierwohl erreichen will, der geht nicht auf die lange und rechtlich fragliche Fahrt eines national verpflichtenden Tierwohlkennzeichens. Sondern der geht den klugen Weg von Dänemark und den Niederlanden, die aus den gleichen Gründen wie wir auf ein Tierwohlkennzeichen setzen, das wie das Biosiegel eine Positivkennzeichnung ist für Produkte, die über dem gesetzlichen Standard liegen. So sieht der Verbraucher auf einen Blick, wo mehr Tierwohl drinsteckt.“
Ein gesetzlicher Standard für Kennzeichen sei Augenwischerei und bringe dem Verbraucher nicht mehr Orientierung. Klöckner kündigte an, ein europaweit geltendes Tierwohlkennzeichen auf die Tagesordnung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr zu setzen.