Urteil: Verkaufs- und Abgabestellen von Wilke-Wurst veröffentlichen
Zwei Jahre nach dem Listerien-Skandal des Wurst-Herstellers Wilke muss das hessische Verbraucherschutzministerium zu den Verkaufs- und Abgabestellen von Wilke-Produkten Auskunft geben. Das entschied das Verwaltungsgericht Wiesbaden.
Bereits Anfang Oktober 2019 wollte die Verbraucherorganisation foodwatch über das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) vom Ministerium wissen, welche Restaurants, Fleischtheken und Krankenhäuser Wilke-Wurst im Angebot hatten. Nachdem das Ministerium sich geweigert hatte, die Namen der betroffenen Stellen herauszugeben, erhob foodwatch Klage.
Wiesbadener Gericht: Anspruch auf Herausgabe
Das Wiesbadener Gericht hat nun laut foodwatch klargestellt: Es besteht ein Anspruch auf Herausgabe der beantragten Informationen. Bei einem Rückruf ist danach die gesamte Lieferkette von dem Anspruch nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) erfasst. Das VIG betreffe gerade auch „die Herstellung, Erzeugung, Lagerung und Lieferung von Produkten“, also „Vorgänge, deren Kontrolle auch durch den Verbraucher das Entstehen von Lebensmittelskandalen verhindern soll“. Gegen das Urteil wolle das Land Hessen nun Berufung einlegen.
„Nicht nur die ekelerregenden Zustände in der Wurstfabrik von Wilke, auch die Geheimniskrämereien der Behörden waren ein Skandal. Das hessische Verbraucherschutzministerium lässt die Öffentlichkeit bis heute im Unklaren darüber, welche Krankenhäuser, Wursttheken und Restaurants unverpackte Wurst von Wilke verkauften, die möglicherweise mit lebensgefährlichen Listerien verunreinigt war. Mit der Geheimhaltung will das Ministerium einfach weitermachen und hofft nun auf die nächste Instanz“, kritisierte Rauna Bindewald von foodwatch.
Wilke-Wurst: Drei Todesfälle und 37 Krankheitsfälle
Der nächste Lebensmittelskandal sei nur eine Frage der Zeit. „Dann sollten die Behörden jedoch von sich aus alle betroffenen Verkaufs- und Abgabestellen nennen“, fordert die foodwatch-Aktivistin, denn: „ Vebraucher:innen haben ein Recht darauf, zu erfahren, wenn möglicherweise gesundheitsgefährdende Lebensmittel auf ihren Tellern landen.“
In Produkten der Firma Wilke waren 2019 Listerien nachgewiesen worden. Mit den Waren wurden drei Todesfälle und 37 Krankheitsfälle in Verbindung gebracht. Listerien können für Menschen mit schwachem Immunsystem lebensgefährlich sein. Der Wursthersteller im hessischen Twistetal-Berndorf war deshalb im Oktober 2019 geschlossen worden. Wilke hatte daraufhin Insolvenz angemeldet.
Wo steckte Wilke drin, wo nicht Wilke draufstand?
Wenige Tage nach Schließung der Wurstfabrik warnte die zuständige Lebensmittelbehörde im Landkreis Waldeck-Frankenberg lediglich vor „Wilke“-Produkten. Dabei wurden Waren des Wurstherstellers auch unter anderem Namen verkauft, zum Beispiel als Eigenmarken von Metro.
Erst fünf Tage nach dem Rückruf veröffentlichten die hessischen Behörden eine Produktliste mit mehr als 1.100 Einträgen. Aus diesen Listen ergaben sich jedoch nicht die Verkaufs- und Abgabestellen, wo Wilke-Produkte als lose Ware angeboten wurden – also etwa an Wursttheken, in Altenheimen, Kliniken und Gaststätten.
Berufung: Das Verfahren zieht sich noch länger hin
Das Hessische Verbraucherschutzministerium sei nach dem Gerichtsurteil verpflichtet, die zum 6. Dezember 2019 bekannten Abnehmer, Verkaufs- bzw. Abgabenstellen der vom Rückruf betroffenen Produkte zu benennen, schreibt foodwatch in der Pressemitteilung zum Urteil weiter. Dem Ministerium lägen 55 Listen mit Informationen über End- und Zwischenabnehmer, die ihm von den nachgeordneten Behörden gemeldet wurden, vor.
Selbst wenn die Berufung nicht zugelassen würde, könne es dauern, bis foodwatch die beantragten Informationen bekommt. Denn das Ministerium müsste einen neuen Bescheid erlassen. Die betroffenen Unternehmen wiederum müssten Gelegenheit bekommen, gegen eine Weitergabe der Informationen gerichtlich vorzugehen.