Wirtschaftliche Herausforderungen für die Fleischwirtschaft
Politische Unsicherheiten und Regulierungsdruck führten zu einem Rückgang der Schweine- und Rinderbestände. Daneben belasteten Kostensteigerungen sowie Beschränkungen auf wichtigen Exportmärkten die Branche. Dies erhöhe den Druck zur Konsolidierung in der Schlachtbranche, was Betriebsschließungen und Verkäufe zur Folge hat. Trotz dieser Herausforderungen gebe es auch positive Entwicklungen in der deutschen Fleischwirtschaft: Die Inflationsrate für Lebensmittel gehe zurück, was zu einer Stabilisierung des Fleischkonsums führe.
„In Deutschland herrscht in der Fleisch- und Fleischwarenproduktion eine Atmosphäre von Überregulierung und Unsicherheit“, kritisierte der Vorstandsvorsitzende des Verbands der Fleischwirtschaft (VDF), Martin Müller (kl. Bild o. re.), auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bundesverband der Deutschen Wurst- und Schinkenproduzenten (BVWS) in München.
Hohe Energiepreise, steigende Löhne
BVWS-Präsidentin Sarah Dhem (kl. Bild o. li.) ergänzte: „Die größtenteils mittelständisch geprägte Verarbeitungsindustrie ist konfrontiert mit wirtschaftlichen Belastungen wie hohen Energie- und Rohstoffpreisen sowie steigenden Löhnen. Diese massiven Kostensteigerungen erschweren es den Unternehmen, ihre Produkte zu angemessenen Preisen anzubieten.“ Die hohe Inflation der vergangenen Jahre, insbesondere bei Lebensmitteln, verunsichere die Verbraucher und lenke den Fokus beim Einkaufen verstärkt auf den Preis.
„Der gesamte Sektor fordert ein Ende der Gängelung, Verkomplizierung und von un- nötiger Bürokratie, die unsere Arbeit in einem ohnehin schon schwierigen Marktumfeld immer schwerer macht“, fasste Sarah Dhem die Lage zusammen. Die Kommunikation mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sei gestört, „die Verbände werden von ihm nicht gehört.“ Auch VDF-Boss Müller würde sich „mehr Austausch wünschen“.
Tierwohl-Cent in der Kritik
Die Bedenken der Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe wegen der Auswirkungen diverser gesetzlicher Regelungen in Deutschland seien groß. Insbesondere nationale Alleingänge in der Gesetzgebung erschwerten den Zugang zum europäischen Markt und bevorteilten ausländische Produkte im Wettbewerb.
Die Diskussion über eine Abgabe zur Verteuerung tierischer Lebensmittel werde von den Verbänden kritisch betrachtet. Ohne langfristige Verträge zwischen Staat und Erzeugern würden die Mittel aus einer Abgabe den Landwirten nicht zugutekommen und so tatsächlich nur der Konsumsteuerung dienen.
Sarah Dehm bezeichnete die aktuelle Förderpraxis als „Bürokratiemonster“, auch am Tierwohl-Cent ließ sie kein gutes Haar. Ein Nachfrage-Sog nach Tierwohlprodukten sei zwar tatsächlich da, „aber den Landwirten fehlt nach den schwierigen vergangenen Jahren der Mut.“
Zwischendrin auch etwas Ampel-Lob
Positive Tendenzen sehen die Verbände dagegen bei den Bemühungen des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung, Exportmärkte wieder zu erschließen, die aufgrund der Afrikanischen Schweinepest (ASP) gesperrt waren. Der wichtige koreanische Markt habe nach drei Jahren Pause und langer Prüfung 2023 die Wiederzulassung für Schweinefleischexporte aus Deutschland erteilt.
Jetzt sei es dringend erforderlich, dass weitere asiatische Länder ihre Grenzen wieder öffnen. Martin Müller nannte in diesem Zusammenhang auch die Gespräche von Bundeskanzler Olaf Scholz und Minister Cem Özdemir in China. „Das waren wichtige Impulse, um nun zwischen den Regierungen auch die Marktöffnung für deutsches Schweinefleisch weiter zu verhandeln.“
Müller dankte beiden Politikern für ihren Einsatz in Peking. Özdemir habe betont, dass der Export von Teilstücken des Schweins, die in Deutschland kaum verzehrt, in China aber als Delikatesse gelten würden, eine ideale Kombination für die heimische Wertschöpfung darstellt.
Tierwohl aus dem Bundeshauhalt fördern?
„Trotz eines leichten Rückgangs der Produktionsmenge um durchschnittlich zwei Pro- zent verzeichnet die Fleischwarenindustrie weiterhin einen hohen Umsatz. Der durch- schnittliche Preis stieg um 10,2 Prozent an“, rechnete Sarah Dhem vor. „Die Nachfrage der Verbraucher nach Wurst und Schinken blieb stabil, was aber darauf hindeutet, dass europäische Wettbewerber zunehmend Marktanteile in Deutschland gewinnen.“ Der Fleischverzehr pro Kopf habe sich insgesamt in Deutschland im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr bei 51,6 kg stabilisiert.
Die Einfuhr von Würsten aus anderen EU-Ländern sei zwischen 2020 und 2023 um über 20 Prozent, von 104.866 auf 126.880 Tonnen, angestiegen. Ein Alarmsignal, das zeige, dass Deutschland dringend die Weichen richtig stellen müsse, um die heimische Produktion auf allen Stufen – Landwirtschaft, Schlachtung und Verarbeitung – zu stärken.
Martin Müller brachte Förderungen von Tierwohl aus dem Bundeshaushalt ins Spiel. Auch darin unterstützte ihn Sarah Dhem, denn: „Wir reden hier nicht über Nagellack und Haarspray, sondern über unsere Ernährung.“