Deutschland gilt als Drehscheibe des globalen Darmhandels: Ware im Gesamtwert von 459.734 Mio Euro wurde importiert, fast den gleichen Wert (432.794 Mio Euro) erzielte die Ausfuhr von Naturdärmen. Der deutsche Naturdarmhandel blickt auf ein bewegtes Geschäftsjahr 2020 zurück. Die Menge der weltweit gehandelten Ware legte auf 227.832 t zu (Vorjahr 225.088 t). Allerdings gingen die Pandemie-bedingten Herausforderungen bei den Warenströmen zulasten der Profitabilität. So lag der Gesamtumsatz mit 892.528 Mio Euro um 7,4 % unter dem Vorjahreswert.
Für diese Unternehmen, organisiert im Zentralverband Naturdarm e.V., ist die EU der wichtigste Handelsplatz. Hier wurden 64 % der Menge gehandelt. Wertmäßig hatte die EU einen Anteil von 50,8 %. Die Rangliste der Partnerländer führen weiterhin die Niederlande mit dem Transithafen Rotterdam sowie Polen als Standort für Lohnveredelung an. Aber auch mit Italien und Frankreich gibt es enge Verbindungen. Beide Länder stehen für traditionelle Wurstspezialitäten und anspruchsvolle Konsumenten, was die Nachfrage nach natürlichen Hüllen beflügelt.
Pandemie beeinflusst gesamte Lieferkette
Die Auswirkungen der Pandemie stellten die deutschen Naturdarm-Unternehmen in ihrem globalen Handelsgeschehen vor sehr große Herausforderungen. Handelspartner Nr. 1 ist mit Abstand die Volksrepublik China. Hier standen schon Anfang 2020 die Produktionen in vielen Betrieben still. Die Probleme setzten sich schnell entlang der gesamten Lieferkette fort. Häfen waren über Wochen geschlossen, Schiffe mussten Umwege fahren und im Grenzverkehr führten pandemiebedingte Kontrollen zu massiven Verzögerungen.
Frachtkosten explodiert
„Es ist vor allem der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit unserer Mitglieder mit ihren Partnern vor Ort zu verdanken, dass die Geschäfte ungeachtet davon gut liefen“, sagt die ZVN-Vorsitzende Heike Molkenthin (Bild links). „Unsere Partner in China beispielsweise haben sofort gehandelt und Transportkapazitäten vorgebucht, dafür auch hohe Mehrkosten in Kauf genommen”. In gemeinsamer Anstrengung sei es gelungen, für jede Herausforderung eine Lösung zu finden. „Damit konnten wir sicherstellen, dass unsere Kunden ihre Ware zuverlässig und in gewohnt hochwertiger Qualität erhalten“. Die Verlässlichkeit hatte allerdings für die Branche auch ihren Preis. Ein für die Transporte aus China üblicher 40-Fuß-Kühlcontainer beispielsweise kostet inzwischen bis zu 20.000 Dollar und damit rund das Vierfache des Normalpreises vor der Pandemie. Kein Einzelfall, wie Heike Molkenthin sagt. „Die Frachtkosten sind weltweit explodiert und belasten unsere Margen enorm“. Mit einer Entspannung ist nach Einschätzung der Branche frühestens im Spätherbst 2021 zu rechnen.
Schafsdärme weltweit knapp
Wurst ist rund um den Globus beliebt. Das bleibt nicht ohne Folgen für den Darmhandel und betrifft vor allem den Schafssaitling. So sind Schafsdärme in kleinen Kalibern in China zunehmend begehrte Hüllen für hochwertige Würste nach europäischem Vorbild. Die Ware bleibt daher vermehrt im eigenen Land und verknappt das Angebot auf dem Weltmarkt. Auch die Türkei kauft Schafsdärme in hohen Mengen – denn ausschließlich aus Lammdärmen wird die traditionsreiche „Kokoretsch“ hergestellt, eine preiswerte und gefragte Alternative zu Fleisch.
Naturdarm: Natürlichkeit als Qualitätsmerkmal
Auf dem heimischen Markt ist die Nachfrage nach Naturdärmen ungebrochen hoch. Bereits seit einigen Jahren achten die Konsumenten verstärkt auf naturbelassene und nachhaltige Produkte. Die Pandemie hat diese Entwicklung beflügelt. Laut einer McKinsey-Studie sind 51 % der 5.000 Befragten bereit, für nachhaltig und ökologisch hergestellte Produkte mehr Geld auszugeben. Vor der Pandemie war dieser Wert etwa 10 % geringer. Zudem punktet der Naturdarm als Qualitätsmerkmal für hochwertige und handwerklich hergestellte Wurst, der Visitenkarte für die Bedientheke im Fleischer-Fachgeschäft oder im Lebensmitteleinzelhandel. Beide Geschäftsmodelle haben sich als zuverlässiger Nahversorger während der Lockdowns profiliert und die Konsumenten mit convenienten Angeboten für die eigene Küche versorgt. „Wir verstehen uns als kleiner, aber sehr aktiver Player dieser Branche und werden unseren Teil dazu beitragen, den Markt zukunftssicher zu machen“, sagt Heike Molkenthin. Der deutsche Naturdarmhandel ist mittelständisch geprägt und mehrheitlich – in Einzelfällen über Generationen – inhabergeführt.