Das deutsche Fleischerhandwerk verfolgt mit Sorge die Entwicklung, die sich aus den steigenden Corona-Infektionen bei Mitarbeitern großer Unternehmen der Fleischindustrie ergeben hat. „Von den betroffenen Unternehmen ist zu fordern, dass sie ihrer Verantwortung in jedem Fall gerecht werden und sie nicht an andere abgeben“, sagt Herbert Dohrmann, Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV), der rund 11.000 Handwerksfleischereien vertritt
Der Verband verweist darauf, dass im Handwerk grundsätzlich anders gearbeitet wird als in vielen Industriebetrieben. Die meisten Fleischereien haben zwischen 10 und 25 Mitarbeiter. Diese sind hochqualifiziert und arbeiten in festen, langjährigen Angestelltenverhältnissen. „Das ist der Grund dafür, weswegen wir mit einem gewissen Stolz von Familienunternehmen sprechen“, so der DFV-Präsident. Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung kommen im Fleischerhandwerk praktisch nicht vor.
Regionale Vermarktungsstrukturen
Das Handwerk beklagt seit langem den ständigen Drang nach dem „immer-Billiger“ und „immer-Mehr“. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die aktuellen Vorgänge dazu geführt haben, sehr ernsthaft über mehr Wertschätzung für Fleisch zu sprechen. Herbert Dohrmann: „In der Politik wird nun die Forderung nach der Schaffung von regionalen Vermarktungsstrukturen laut. Diese regionalen Kreisläufe gibt es seit langer Zeit, sie geraten aber immer mehr unter Druck, nicht zuletzt durch politisches Handeln.“
Nachteile für Handwerksunternehmen
Doch diese regional gewachsenen, funktionierenden Strukturen würden nicht ausreichend wahrgenommen. Das gehört zum Grundproblem. Es muss auf breiter Front verstanden werden, dass es große Unterschiede sowohl in der Landwirtschaft als auch bei Lebensmittel verarbeitenden Betrieben gibt. „Das Traurige ist, dass das politische Handeln nicht mit den Bekenntnissen der Politiker zusammenpasst“, so Herbert Dohrmann. Es gibt viele Gesetze, die die Kleinen klar benachteiligen. Als Beispiele nannte der DFV Kontroll- oder Entsorgungsgebühren, die für Handwerksunternehmen ein Vielfaches dessen betragen, was Industriegiganten zahlen. Herbert Dohrmann: „Das ist politisch gemacht. Wer regionale Strukturen auf diese Weise schwächt, darf sich nicht beklagen, wenn am Ende nur die Großen übrigbleiben.“ Der DFV fordert die Beseitigung von Benachteiligungen und faire Rahmenbedingungen.
Beratung als Alleinstellungsmerkmal
Billigfleisch wird man im Handwerk nicht finden, was nicht nur an der Arbeitsweise und den fairen Entgelten an die Belegschaft liegt. Auch den Partnern aus der Landwirtschaft zahlt das Handwerk angemessene und auskömmliche Preise. Den Verbraucher für Fehlentwicklungen mitverantwortlich zu machen, davon hält Herbert Dohrmann nichts. Im Gegenteil: „Der Verbraucher wird kritischer, das ist gut so. Wir müssen ihn in dieser Einstellung bestärken.“ Je besser die Kunden informiert sind, desto mehr tritt der Preis hinter den Qualitätsanspruch zurück. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass man uns fragen kann. Eine Plastikverpackung im Supermarkt gibt keine Auskunft, wir in unseren Fachgeschäften schon.“ Ziel ist es, zu verdeutlichen, dass es eine echte Wahl gibt. „Jeder Verbraucher kann für sich entscheiden, was ihm wichtiger ist, der billigste Preis oder der Mehrwert, der auch mehr kostet“, resümiert er.